Kopf Geld Jagd: Wie ich in Venezuela niedergeschossen wurde, während ich versuchte, Borussia Dortmund zu retten. (German Edition)
Wertanalyse. Es war einfach nicht möglich, dass der Marktwert einer diversifizierten Kapitalmarktgruppe länger als ein paar Jahre das Zehnfache ihres Buchwerts betrug. Wir konnten unseren Marktwert nur dann dauerhaft aufrechterhalten, wenn die weltweiten Aktienmärkte weiterhin so rasant zulegten und wir weiterhin eine Rendite von 100 Prozent auf das eingesetzte Kapital erzielen würden. Das war natürlich völlig unrealistisch.
Der Zusammenbruch von 2000 bis 2002 war unvermeidlich. Unternehmen wurden nicht mehr auf Grundlage harter finanzieller Variablen bewertet, sondern auf Basis von Websiteaufrufen. Die Bewertungsparameter, die sich über Jahrzehnte bewährt und sich innerhalb definierter Bandbreiten bewegt hatten (Verhältnis zwischen Enterprise Value und freiem, operativem oder Brutto-Cashflow, Verhältnis zwischen Enterprise Value und Wiederbeschaffungswert, Kapitalrendite, Enterprise Value/Umsatz …), waren vorübergehend durch windige und bedeutungslose Kriterien ersetzt worden, die auf sehr wackeligem Boden standen. Die Bewertungen am US-Markt lagen gemessen an den greifbaren Buchwerten so hoch wie nie, und selbst der britische Markt bot die jämmerlichsten Dividendenrenditen der Geschichte. Profitabilitätsmaßstäbe, wie zum Beispiel die Aktienrendite, waren astronomisch hoch. Die Auftragsbücher für Luxusspielzeuge (Privatjets, Luxusjachten, Helikopter und exotische Luxusautos) waren so prallvoll wie nie (ein todsicherer konträrer Indikator für kaum noch steigerbare Markthöchststände), und frisch gebackene Internetmillionäre, die Unternehmen an die Börse gebracht hatten, die bis dahin nicht einen Cent Umsatz oder Gewinn gemacht hatten, gaben in den Nachtklubs von Monte Carlo und Saint-Tropez Unsummen für mittelmäßigen Champagner und billige Frauen aus.
Sechs Jahre lang hatten wir einen fantastischen Rückenwind genossen, aber nun befanden wir uns in einer Nussschale, die auf einen Hurrikan zusteuerte. Der Markt war zudem auf dem besten Weg zu einer Vereinheitlichung der Bilanzstandards, und auch andere schlaue Manager begannen, Bewertungskorridore als Kauf- und Verkaufsauslöser zu verwenden. Die europäischen Märkte hatten sich entwickelt und die Regulierung wurde strenger. Unser Wettbewerbsvorteil schrumpfte. Ich war weit davon entfernt, Raublust und ein glückliches Timing mit Genialität zu verwechseln.
Alles leicht verdiente Geld war erzielt. Von nun an würde ein rauerer Wind wehen. Die Party war vorbei und es kam zu ersten Schlägereien unter den betrunkenen Partygästen. Warum weitermachen und einen bösartigen Bärenmarkt bekämpfen? Wer, der noch alle Sinne beisammenhatte, würde freiwillig drei oder mehr Jahre lang gegen den Wind segeln wollen? Gott sei Dank wollte mein Schwager, der fast ein Jahrzehnt lang in meinem Schatten gestanden hatte, die Nummer eins sein. Er wollte in dieses opportunistische, unberechenbare und sich ständig verändernde Kapitalmarktunternehmen Präzision und Stabilität bringen. Er war ein Ingenieur und kein eiskalt kalkulierender Finanzinvestor. Er glaubte daran, dass das Universum einer Newtonschen Ordnung gehorchte; ich dagegen glaubte an die Chaostheorie. Ich wünschte ihm viel Glück und übergab ihm das Zepter.
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Selbst die negativsten Umstände können manchmal zu positiven Ergebnissen führen. Ein maßgeblicher Grund, weswegen ich im Jahr 2000 bereit war, die Kontrolle abzugeben, bestand darin, dass mir Professor Martin, einer der besten Neurologen der Universität von Frankfurt im Winter des vorhergehenden Jahres multiple Sklerose (MS) diagnostiziert hatte. Meine Schwester hatte an einer schweren Form dieser Krankheit gelitten und bis zu ihrem Tod im Rollstuhl gesessen, konnte kaum sprechen und brauchte eine 24-Stunden-Rundumbetreuung.
Ich hatte zu viele Hirnläsionen und eine sehr große Läsion im Nackenbereich, um diesen Befund anzuzweifeln. Mein gesamter linker Arm und mein rechter Fuß waren taub. Ich fiel bei einfachen Koordinations- und Sehtests durch. Außerdem nahm ich Unmengen an Kortison zu mir, was mich in einen pickeligen 130-Kilo-Zombie verwandelte. Ich war erledigt. Ich würde noch vor meinem 50. Geburtstag sterben und mich in den Jahren vor meinem Tod ständig einkoten.
Ich verschlang Unmengen an Informationen, um eine Lösung zu finden. Ich studierte alle verfügbaren Therapien. Ich beschäftigte mich intensiv mit alternativen Behandlungsmethoden, menschlichen Wachstumshormonen, Homöopathie, Knochenmarkstransplantation,
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