Kopf hoch, Freddie
war Stolz herauszuhören. Ein Familientreffen wie alle anderen. Es klang so nach Einigkeit, so normal.
Entschlossen, jeglichen Enthüllungen über ihre Eltern auszuweichen, fragte Angela: »Kennen Sie Tainui, Mrs. Gresham?«
»Nein. Ich glaube aber, meine Kinder waren da. Diese komischen kleinen Orte gefallen mir nicht.«
Wieder ein Fehlschuß. Warum hatte Mrs. Gresham sich dazu bringen lassen, sie einzuladen, und warum waren sie überhaupt gekommen? Aber Freddie fuhr unbeirrt fort: »Ich bin vor eineinhalb Jahren von der Schule abgegangen, habe aber nachher im Turnunterricht ausgeholfen. Ich wollte zunächst Sportlehrerin werden, habe mich dann aber für die Krankenpflege entschlossen und...«
Sie hielt mitten im Satz inne und starrte mit großen erstaunten Augen auf die Veranda hinaus. Sie saß den französischen Fenstern gegenüber und sah gerade, wie eine seltsame Erscheinung über die Veranda flitzte, mit nackten Beinen, nackten Armen, offenbar nur in ein großes Badetuch gehüllt. Ohne die geringste Verlegenheit blinzelte die Person, die sich als kleines dunkles Mädchen entpuppte und dem glatte schwarze Haare in feuchten Strähnen ins Gesicht hingen, Freddie zu, legte einen Finger auf die Lippen und verschwand. Freddie schluckte und fuhr fort: »Und jetzt warte ich, bis der Lehrgang im Krankenhaus beginnt...«
»Ich begreife nicht, wie einem Krankenpflege zusagen kann.«
»Nun ja, ich bin kräftig, und es herrscht großer Schwesternmangel — «
Ihre Gastgeberin vollführte eine Geste des Widerwillens. »Ich bin nicht sehr begeistert von berufstätigen Frauen, obwohl meine Tochter Patricia...«
Was sie ihnen über Patricia enthüllen wollte, erfuhren sie nicht, denn in diesem Augenblick trat das Mädchen hastig ein. Sie sah aus, als hätte sie sich eilig Rock und Bluse übergestreift, ohne einen Blick in den Spiegel zu werfen.
»Guten Tag allerseits. Tut mir leid, daß ich mich verspätet habe, aber ich mußte einfach ein Bad nehmen, und Sie wissen ja, wie das ist — man liegt und schwelgt und dreht den Hahn mit der Zehenspitze auf und vergißt die Zeit... Dabei platze ich vor Neugier, Ihre Bekanntschaft zu machen. Herrlich, daß endlich neue Gesichter in dieser widerlichen Gegend auftauchen — junge Gesichter.«
Ihre Offenherzigkeit nahm für sie ein. Angela dachte: »Sie gefällt mir. Eher unscheinbar und gar nicht wie ihre Mutter oder auch der Vater. Aber sie ist eine echte Persönlichkeit und ihre Mutter nicht.«
»Na, ich sorge jetzt für den Tee«, fuhr Pat fort. »Sie sind Freddie, nicht wahr? Vater hat uns alles über Sie erzählt. Können Sie ganz dünne Brotscheiben schneiden und mit Butter bestreichen? Ich bin nämlich ein hoffnungsloser Fall. Ja? Dann aber los!«
Mit großer Erleichterung, doch schlechtem Gewissen, weil sie an die zurückbleibende Angela dachte, folgte Freddie der Tochter ihrer Gastgeberin in die Küche. Dort war es angenehm unaufgeräumt, und Pat sagte: »Ein ziemliches Durcheinander. Ich hasse Hausarbeit, Mutter übrigens auch, obwohl sie für Vater und Maurice gern auf weiblich macht. Da ist das Brot. Das Messer ist wenigstens scharf.«
»Ich werde mein Bestes tun, aber Hauswirtschaft ist nicht meine Stärke.«
»Was ist dann Ihre Stärke? Tanzen und Partys, möchte ich wetten.«
»Davon hat es bis jetzt nicht viel gegeben.«
Sie tauschten Erfahrungen aus und beklagten die ihnen auferlegten Beschränkungen. Pat war mit siebzehn von der Schule abgegangen und lebte seither zu Hause, weil ihr Vater sie gern um sich hatte. »Auch Mutter will, daß ich bleibe, aber nur, weil es dann Maurice nicht so langweilig hat. Sie steht Todesängste aus, daß er sich aus dem Staub machen und sich eine lustigere Bleibe suchen könnte. Bei ihr zählen nur er und Vater.«
Das klang gar nicht bedauernd, nur sachlich.
»Ist Ihr Bruder älter?«
»Schon dreiundzwanzig, er ist aber so viel herumgekommen, daß er älter wirkt. Ihn langweilt der Zirkus hier ziemlich. Übrigens vielen Dank, daß Sie mich nicht verraten haben, als ich aus dem Bad flitzte. Ein Haus, in dem die Hälfte der Räume auf die Veranda führt, ist ein wahrer Fluch. Wenn ich meine Sachen vergessen habe, kann ich nicht aus dem Bad.«
»Ist das schon öfter passiert?«
»Ja, aber gewöhnlich sind nur Familienmitglieder da. Einmal kam freilich unser Parlamentsabgeordneter auf Besuch. Es war mitten im Winter, und ich habe den ganzen Heißwasservorrat verbraucht, als ich in der Wanne steckte. Der Kerl aber dachte
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