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Kopf in der Schlinge

Kopf in der Schlinge

Titel: Kopf in der Schlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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betreibt. Es ist gar nicht so abwegig, wie es scheint. Chatty Cathy wurde 1960 eingeführt, ein Jahr nach Barbie. Chatty Cathy war realistischer — Sommersprossen, vorstehende Zähne, ein kleines Bäuchlein — und konnte außerdem sprechen. Trotz Barbie nennt man die Zeit zwischen 1967 und 1973 die Sprechära, zu der auch die Twist’n’Turn Dolls gehören. Das wissen nur wenige.«
    »Ich wußte es jedenfalls nicht«, sagte ich. »Was ist das hier?«
    »Das ist die kleine Drei-Zoll-Vinyl-Schallplatte mit Cathys Aussprüchen. Wenn man an der Schnur zieht, wird eine Feder aktiviert, die diesen kleinen Gummiriemen den Plattenspieler antreiben läßt. Die früheren Versionen der Puppe hatten elf Sprüche, aber sie wurden auf achtzehn ausgeweitet. Das Ungewöhnliche an den Chattys ist, daß keine zwei gleich sind. Natürlich werden sie massenhaft produziert, aber sie wirken alle verschieden. Es ist schon fast unheimlich. Aber Sie sind garantiert nicht den ganzen Weg hierhergefahren, um sich über Puppen zu unterhalten. Sie interessieren sich ja für meinen Vater.«
    »Homer hat mich schon aufgeklärt, aber ich würde gern Ihre Version hören. Soweit ich weiß, haben er und Alfie Toth eine Zeitlang bei Ihnen gewohnt, nachdem sie aus Chino entlassen worden waren.«
    »Das stimmt. Paps war voller Selbstmitleid, weil keines seiner anderen Kinder etwas mit ihm zu tun haben wollte. Einmal hat er versucht, bei meinem Bruder Clint zu übernachten — er wohnt in Inglewood gleich beim Flughafen von L. A. Clint ist immer noch wütend auf Paps. Er hat sich geweigert, ihn hereinzulassen, und hat ihm erklärt, er könne ja im Werkzeugschuppen schlafen, wenn er wolle. Paps war natürlich stocksauer und ist beleidigt davongefahren. Allerdings hat er vorher noch bei Clint eingebrochen. Er und Alfie haben gewartet, bis Clint weg war, und dann sein ganzes Bargeld gestohlen und seine Möbel demoliert.«
    »Das muß ja ein beträchtlicher Schaden gewesen sein. Hat Clint Anzeige erstattet?«
    Dolores wirkte verblüfft, die erste echte Reaktion, die ich an ihr sah. »Warum sollte er denn das tun?«
    »Ich habe gehört, daß ein Kriminalbeamter in Zivil versucht hat, kurz vor Toth’ Tod einen Haftbefehl gegen ihn zu vollstrecken. Ich wüßte gern, ob der auf diesen Zwischenfall zurückging.«
    Dolores schüttelte den Kopf. »Garantiert nicht. So etwas würde Clint nie tun. Auch wenn er Paps nicht bei sich im Haus haben will, würde er ihn nie verpfeifen. Es ist seltsam, aber als meine Schwester Marne anrief — das liegt etwa ein Jahr zurück — , um mir zu sagen, daß seine Leiche gefunden wurde, habe ich derart heftig lachen müssen, daß ich mir in die Hose gemacht habe. Homer mußte den Arzt rufen, als er merkte, daß ich nicht mehr aufhören konnte. Der Arzt hat mir dann eine Beruhigungsspritze gegeben. Er hat gesagt, es sei Hysterie, aber in Wirklichkeit war es Erleichterung. Wir hatten fünf Jahre nichts mehr von Paps gehört, also habe ich wohl darauf gewartet, bis es endlich klar ist.«
    »Was glauben Sie, warum er von Clint aus nach Lake Tahoe gefahren ist?«
    »Meine Schwester wohnt dort. Oder vielmehr eine von ihnen. Nicht direkt in Lake Tahoe, aber in der Gegend.«
    »Tatsächlich? Ich habe mich ständig gefragt, was ihn veranlaßt hat, dorthin aufzubrechen.«
    »Ich glaube nicht, daß Mames Mann sich über seinen Besuch mehr gefreut hat als Homer.«
    »Wie lange war er bei ihr?«
    »Eine Woche oder so. Marne hat mir später erzählt, daß er mit Alfie weggefahren sei, um angeln zu gehen, und soweit ich weiß, hat seitdem kein Mensch mehr Paps gesehen.«
    »Glauben Sie, daß ich mit ihr sprechen könnte? Das hat die Polizei zwar bestimmt schon getan, aber es würde mir weiterhelfen.«
    »Na klar. Sie ist nicht schwer zu finden. Sie arbeitet dort oben als Angestellte im Sheriffbüro.«
    »Wo dort oben?«
    »Nota Lake. Sie heißt Margaret, aber die ganze Familie nennt sie Marne.«

17

    Als ich nach Hause kam, kniete Henry in seinem Garten im Blumenbeet. Ich schritt über die Wiese und blieb stehen, um ihm bei der Arbeit zuzusehen. Er nahm meine Anwesenheit wahr, schien sich aber in der Stille wohl zu fühlen. Er trug ein weißes T-Shirt und Farmerhosen mit gepolsterten Knien. Seine Füße waren nackt, lang und knochig, und ihre hohen Wölbungen hoben sich weiß vom ausgebleichten Gras ab. Die Luft war süß und mild. Obwohl die Mittagssonne direkt über uns stand, war die Temperatur gemäßigt. Neben der Garage konnte ich

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