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Kopf in der Schlinge

Kopf in der Schlinge

Titel: Kopf in der Schlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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Erklärung von mir. Er war nach wie vor ihr Daddy, und sie konnte ihn nicht abweisen. Er war genau wie immer: anspruchsvoll und kritisch. Er weigerte sich, auch nur einen Finger zu rühren, und erwartete, daß sie ihn von vorn bis hinten bediente. Schließlich hatte ich die Schnauze voll und habe ihm gesagt, daß er verschwinden soll. Pinkie meinte: >Okay, kein Problem. Ich bleibe nirgends, wo ich nicht erwünscht bin. Fahr zur Hölle.< Er war stocksauer und hat sich furchtbar schlecht behandelt gefühlt, aber ich bin hart geblieben.«
    »War Toth damals mit ihm zusammen?«
    »Ab und zu. Ich glaube, Alfies Exfrau hat irgendwo hier im Ort gewohnt. Er hat bei ihr schmarotzt, wenn er nicht gerade hier war und bei uns schmarotzt hat.«
    »Und die beiden sind zusammen weggefahren?«
    »Soweit ich weiß. Zumindest hatten sie das vor.«
    »Und wohin wollten sie?«
    »Los Angeles. Hinterher hat man alles rekonstruiert und herausgefunden, daß sie in Los Angeles ein Auto gestohlen haben und damit nach Lake Tahoe gefahren sind.«
    »Was war mit Pinkies Bewährungshelfer? Hätte sich Pinkie nicht bei ihm melden müssen?«
    »He, wir sprechen hier von einem Berufskriminellen. Sich an die Regeln zu halten war nicht gerade seine Stärke. Woher zum Teufel soll ich wissen, wie er damit durchgekommen ist? Bei Toth ist es das gleiche.«
    »Glauben Sie, daß ihnen vielleicht irgend jemand auf den Fersen war?«
    »Keine Ahnung«, antwortete er. »Pinkie machte nicht den Eindruck, als ob er sich bedrängt fühlte. Warum? Glauben Sie, daß ihnen jemand gefolgt ist?«
    »Möglich«, sagte ich.
    »Ja, aber es ist genausogut möglich, daß Pinkie endlich einmal seine Grenzen überschritten hat. Er war einer dieser kleinen Typen, voller Komplexe und tierisch leicht reizbar. Von Alfie kann ich das nicht behaupten. Er wirkte harmlos. Pinkie ist ein anderer Fall. Wer auch immer Pinkie umgebracht hat, hat meiner Meinung nach einen Orden verdient. Aber sagen Sie das nicht weiter. Dolores regt sich auf, wenn sie mich so reden hört. Mir fällt auf, daß ich die ganze Zeit rede.«
    »Dafür bin ich Ihnen dankbar.«
    »Das ist schön. Ich danke Ihnen für Ihre Dankbarkeit. Aber jetzt sind Sie dran. Was hat eine Privatdetektivin mitten in Ermittlungen in einem Mordfall verloren? Soweit ich zuletzt gehört habe, gibt es keinen Verdächtigen, also arbeiten Sie wohl nicht für den Pflichtverteidiger.«
    Aufgrund seiner Offenheit fand ich, daß er Anspruch auf eine Erklärung hatte. Ich schilderte ihm die Lage, indem ich mit Selma Newquist begann und mit Colleen Seilers aufhörte. Das einzige, was ich wegließ, waren die Einzelheiten der beiden Morde. Er schien sich nicht für Details zu interessieren, und ich hätte die Informationen auch nicht für alles Geld der Welt preisgegeben. Währenddessen vernahm ich unterschwellig eine Reihe seltsamer Geräusche aus dem Nebenzimmer. Zuerst dachte ich, sie kämen aus einem Radio oder Fernseher, doch die Sätze wiederholten sich in leblosem und mechanischem Tonfall. Homer hörte es auch und fing meinen Blick auf. Er neigte den Kopf in Richtung des kurzen Flurs, der offenbar zu einem Schlafzimmer führte. »Dolores ist da hinten. Wollen Sie mit ihr sprechen?«
    »Wenn Sie einverstanden sind.«
    »Sie verkraftet es schon«, meinte er. »Lassen Sie mir einen Moment Zeit, dann erkläre ich ihr, worum es geht. Vielleicht hat sie etwas hinzuzufügen.«
    Er ging den Flur hinunter bis zu einer Tür und klopfte einmal, bevor er hineinging. Als er durch den schmalen Spalt schlüpfte, war mir einen Augenblick lang mulmig. Ich befand mich in einem fremden Haus in Gesellschaft eines Mannes, den ich noch nie zuvor gesehen hatte. Ich hatte ihm alles abgenommen und ihm instinktiv vertraut, obwohl ich nicht wußte, warum. Eigentlich hatte ich ja nur seine Aussage, daß Dolores im anderen Zimmer war. Plötzlich stellte ich mir vor, wie er mit dem Schlachtermesser in der Hand aus dem Schlafzimmer käme. Aber glücklicherweise ist selbst das Leben einer Privatdetektivin nur selten so aufregend. Die Tür öffnete sich wieder, und Homer winkte mich hinein.
    Auf den ersten Blick dachte ich, Dolores Ruggles könne keinen Tag älter als einundzwanzig sein. Später erfuhr ich, daß sie achtundzwanzig war, was mir immer noch zu jung dafür erschien, um mit einem Mann in Homers Alter verheiratet zu sein. Schmal und zierlich saß sie in einem Zimmer voller Barbiepuppen an einer Werkbank. Vom Boden bis zu Decke, in unglaublich vielen

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