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Kopf in der Schlinge

Kopf in der Schlinge

Titel: Kopf in der Schlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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aussehende Polsterstühle, die auf der einen Seite eines kleinen Beistelltischs standen. Seine Art war entspannt, angenehm, freundlich und seltsam unpersönlich. »Sie sind also wegen Toms Tod hier.« Er griff über den Tisch, öffnete die Schublade und nahm einen flachen braunen Aktendeckel heraus, in dem ein fünfseitiger Bericht steckte. »Ich habe Ihnen eine Kopie des Autopsieberichts anfertigen lassen, falls Sie das interessiert.«
    Ich nahm den Aktendeckel. »Danke. Ich dachte schon, ich müßte Sie dazu überreden.«
    Er lächelte. »Die Unterlagen sind öffentlich zugänglich. Ich hätte die Kopie mit der Post schicken und Ihnen den Weg ersparen können, wenn Selma früher darum gebeten hätte.«
    »Toms Tod wurde also als Fall für den amtlichen Leichenbeschauer eingestuft?«
    »Zwangsläufig«, antwortete er. »Sie wissen ja, daß er ohne Zeugen und vermutlich ohne große Vorzeichen draußen auf dem Highway 395 gestorben ist. Er war seit fast einem Jahr nicht mehr beim Arzt gewesen. Wir nahmen an, daß es sein Herz war, aber vor der Obduktion weiß man das ja nie genau. Es hätte auch ein Aneurysma sein können. Jedenfalls hat Calvin Burkey die Autopsie vorgenommen. Das ist der Gerichtspathologe für die Landkreise Nota und Mono. Zwei von uns waren dabei. Es wurde nichts Auffälliges gefunden. Keine Überraschungen, nichts Unerwartetes. Tom starb an einem schweren, akuten Herzinfarkt infolge massiver Arteriosklerose. Sie werden sehen. Es steht alles hier drin. Teile der Koronararterien waren zu fünfundneunzig bis hundert Prozent verstopft. Er war dreiundsechzig Jahre alt. Eigentlich ist es ein Wunder, daß er so lange gelebt hat.«
    »Sonst hat sich nichts ergeben?«
    »Was aus dem Rahmen fiele? Nein. Leber, Gallenblase, Milz und Nieren waren allesamt ohne Befund. Die Lungen sahen schlimm aus. Er hat zeit seines Lebens geraucht, aber es gab keine Hinweise auf eine invasive Erkrankung. Er hat kurz zuvor Nahrung zu sich genommen. Unserem Bericht zufolge hat er in einem Lokal etwas zu Abend gegessen. In seinem Verdauungstrakt waren weder Pillen noch Kapseln zu finden, und die Untersuchung auf Gifte hat auch nichts ergeben. Warum fragen Sie?«
    »Selma hat gesagt, er hätte abgenommen. Ich frage mich, ob er etwas wußte, das er ihr verschwiegen hat.«
    »Nein. Kein Krebs, falls Sie das meinen. Keine Tumoren, keine Blutgerinnsel und keine inneren Blutungen, vom Herzmuskel abgesehen«, erklärte er. »Der Doc meinte, es gebe Anzeichen für einen kleinen Herzinfarkt in der Vergangenheit.«
    Ich dachte darüber nach. »Also wußte er vielleicht, daß seine Tage gezählt waren. Das könnte ihm Anlaß zum Grübeln gegeben haben.«
    »Möglich«, sagte er. »Tom war jedenfalls nicht bei bester Gesundheit, das kann ich Ihnen versichern. Das Fehlen pathologischer Merkmale besagt nicht unbedingt, daß man sich besonders wohl fühlt. Ich kannte ihn seit Jahren und habe ihn nie klagen hören, aber er hatte fast dreißig Kilo Übergewicht. Er hat geraucht wie ein Schlot und gesoffen wie ein Fisch, um beide Klischees zu bemühen. Aber er war ein phänomenaler Fahnder, das kann ich Ihnen sagen. Worüber zerbricht sich Selma denn den Kopf?«
    »Schwer zu sagen. Ich glaube, sie hat das Gefühl, daß er etwas vor ihr verborgen hat, daß er irgendwelche Geheimnisse hatte. Sie hat ihn nicht um Antworten bedrängt, daher ist die Sache jetzt ungeklärt, und das belastet sie sehr.«
    »Und sie hat keine Ahnung, was es war?«
    »Vielleicht ist es auch überhaupt nichts; so sieht es jedenfalls für mich aus. Haben Sie irgendwelche Theorien?«
    »Ich glaube nicht, daß Sie irgend etwas Skandalöses aufdecken werden. Tom war Kirchgänger und eine gute Seele. Beliebt und geachtet im ganzen Ort und großzügig mit seiner Zeit. Wenn er irgendwelche Fehler hatte, so würde ich sagen, daß er zu streng, zu puritanisch war. Er sah die Welt in Reinschwarz und Reinweiß mit nicht viel dazwischen. Vermutlich konnte er das Grau wahrnehmen, wußte aber nicht viel damit anzufangen. Er hielt nichts davon, die Regeln zu verletzen, obwohl ich es ihn ab und zu habe tun sehen. Er war ein ganz geradliniger Mann, aber das ist in meinen Augen positiv. Wir könnten ein paar mehr von seiner Sorte gebrauchen. Er wird uns hier fehlen.«
    »Haben Sie ihn in den letzten paar Wochen einmal länger gesprochen?«
    »Eigentlich nicht. Ich sah ihn meist in beruflichem Rahmen. Verständlicherweise stehen das Sheriffbüro und der amtliche Leichenbeschauer so

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