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Kopf in der Schlinge

Kopf in der Schlinge

Titel: Kopf in der Schlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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solche, bei denen man Gefahr läuft, hinzufallen und sich wichtige Körperteile zu brechen. So vergnüglich das alles klingt, mich hat es nie gereizt. Das Meer ist etwas anderes, und auch wenn ich kurze Zeiträume in küstenfernen Landstrichen verbringen kann, bin ich dort nie so glücklich wie in der Nähe tiefen Wassers. Verstehen Sie mich recht, ich gehe nicht ins Wasser hinein, weil es dort unten alle möglichen beißenden, stechenden, mit Fangarmen oder Zangen bewehrten und schleimigen Kreaturen gibt, aber ich sehe gern aufs Wasser hinaus und genieße seine endlose, immer wieder veränderte Gegenwart. Außerdem tut es mir gut, darüber nachzudenken, daß all diese Tierchen keine Gelegenheit haben werden, mich aufzufressen.
    Dadurch aufgeheitert, legte ich die letzten Kilometer nach Santa Teresa schnell zurück. Ich nahm die Ausfahrt Cabana und bog nach links ab, passierte das Vogelschutzgebiet zu meiner Rechten und kurz danach die Volleyballplätze im Sand des East Beach. Inzwischen war ich fünf Stunden unterwegs und dermaßen auf zu Hause fixiert, daß sich mein Fuß anfühlte, als sei er am Gaspedal festgeschweißt. Ich war erschöpft. Ich hatte einen steifen Hals. Mein Mund schmeckte wie heißes Metall. Meine verletzten Finger waren von Medikamenten betäubt und schafften es trotzdem, vor Schmerz zu pochen. Und zu allem Überfluß tat mir auch noch der Hintern weh.
    Das Viertel, in dem ich wohne, sah genauso aus wie immer, eine kurze Wohnstraße, einen Block weit vom Strand entfernt: Palmen, hohe Kiefern, Maschendrahtzäune und bucklige Gehsteige, deren Beton von Baumwurzeln aufgebrochen wurde. Die meisten Häuser waren Massivbauten mit verwitterten Dächern aus roten Ziegeln. Hin und wieder stand eine Anlage mit Eigentumswohnungen zwischen den Einfamilienhäusern. Ich fand einen Parkplatz gegenüber meiner Wohnung, die früher einmal eine Einzelgarage gewesen war und jetzt ein zweistöckiges Refugium darstellte, das durch einen Laubengang mit dem Haus verbunden war, in dem mein Vermieter wohnte. Diesen Monat waren es fünf Jahre, seit ich hier lebte, und ich hänge sehr an der Wohnung, die ich mittlerweile als meine betrachte.
    Ich mußte zweimal gehen, um den Mietwagen auszuladen, hin und zurück durch Henrys quietschendes Tor. Ich stapelte alles auf der kleinen überdachten Veranda, schloß die Tür auf, stellte die Schreibmaschine neben den Schreibtisch, ging wieder hinaus, um meine Reisetasche zu holen, und schleppte sie die Wendeltreppe hinauf. Dann zog ich mich aus, nahm den Verband von meiner Hand ab und gönnte mir eine ausgedehnte heiße Dusche. Dabei wusch ich mir die Haare, rasierte mir mit der linken Hand die Beine und sang ein Potpourri aus Musicalnummern, bei dem der Text zur Hälfte aus »da-da-da« bestand. Das herrliche Gefühl, sauber zu sein und es warm zu haben, war fast zuviel für mich. Ich verzichtete ausnahmsweise auf Zahnseide, putzte mir mit der Linken die Zähne und begoß mich mit einem preiswerten Eau de Cologne aus der Drogerie, das nach Maiglöckchen duftete. Ich zog einen frischen Rollkragenpullover, frische Jeans, saubere Socken und Reeboks an und trug etwas Lippenstift auf. Dann betrachtete ich mich im Badezimmerspiegel. Nein, das sah unmöglich aus. Ich rieb den Lippenstift mit einem Stück Toilettenpapier weg und erklärte mich für fertig. Danach mußte ich nur noch ungefähr zwanzig Minuten damit zubringen, meine Finger wieder zu schienen und zu verbinden. Es würde wirklich ätzend werden.
    Ich schlüpfte zur Tür hinaus und platschte im Regen über den Innenhof. Henrys Garten erwachte gerade wieder zum Leben. In Santa Teresa ist das Klima das ganze Jahr über gemäßigt, aber wir erfreuen uns eines kaum wahrnehmbaren Frühlings, in dem wie überall sonst grüne Schößlinge durch das harte Erdreich brechen. Henry hatte angefangen, die Beete zu jäten, wo er bald seine einjährigen Pflanzen und ein paar Tomatenstauden setzen würde. Ich roch die nassen Wege, den Rindenmulch und die wenigen Narzissen, die sich im Regen geöffnet haben mußten. Es war Viertel vor fünf, schon war es düster durch die nahende Dämmerung, und das Licht drang in sanftem Grau durch die Regenwolken am Himmel.
    Ich spähte durch das Fenster in Henrys Hintertür und klopfte an die Scheibe. Drinnen brannte Licht, und es gab einige Hinweise darauf, daß er mitten in einem Kochprojekt steckte. Henry Pitts hatte sein Geld jahrelang als Bäcker verdient, und jetzt, wo er im Ruhestand ist, kocht und

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