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Kopf in der Schlinge

Kopf in der Schlinge

Titel: Kopf in der Schlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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auf die andere gestürzt war.
    »An dem Strick ist nichts Besonderes, falls Sie sich das fragen. Eine stinknormale Wäscheleine, die man in jedem Supermarkt oder Haushaltswarengeschäft kaufen kann«, sagte Dr. Yee und musterte mein Gesicht. »Ich möchte ja nicht rassistisch werden, aber die Methode paßt eher zu einem asiatischen Gemüt. Wie kommt irgendein Kerl droben in Nota County überhaupt auf so was? Und dann noch ein zweiter hier bei uns? Ich meine, es ist ja möglich, daß Toth vom angeblichen Selbstmord seines Freundes gehört und seine Methode imitiert hat, aber es kommt einem trotzdem abwegig vor. Soweit ich weiß, hat die Polizei von Nota Lake die Einzelheiten für sich behalten. Diese Angaben wurden ausschließlich behördenintern weitergegeben.«
    »Tatsächlich. Wenn Alfie Toth sich umbringen wollte, sollte man annehmen, daß er sich ein Loch ins Hirn pustet; etwas Simples und Direktes, das besser zu seinem Lebensstil paßt.«
    Dr. Yee rutschte mit einem Quietschen auf seinem Stuhl nach hinten. »Eine plausiblere Erklärung wäre, daß beide Opfer vom selben Täter ermordet wurden. Die Polizei ist deshalb so paranoid, weil sie Spinner und Nachahmungstäter abschrecken will. Wenn jemand auftaucht und ein Geständnis abgibt, möchten sie sichergehen, daß niemand anders als der Mörder die Einzelheiten kennen kann. Bis jetzt haben die Zeitungen noch keinen Wind davon bekommen. Sie wissen zwar, daß hier ein Toter gefunden wurde, aber das ist auch schon alles. Ich weiß nicht, ob die Reporter bezüglich des Toten in Nota Lake zwei und zwei zusammengezählt haben. Das wurde hier unten kaum publik.«
    »Was ist der geschätzte Todeszeitpunkt bei Ritter?«
    »Oh, er muß nach Kirchners Schätzung fünf Jahre dort gelegen haben. Eine Benzinrechnung unter seinen Sachen trug ein Datum vom April 1981. Der Tankwart kann sich an alle beide erinnern.«
    »Eine ziemlich große Lücke zwischen beiden Todesfällen«, sagte ich. »Ist Ihnen je ein solcher Tathergang untergekommen?«
    »Nur im Lehrbuch. Das macht es ja so seltsam. Sehen Sie sich das mal an.« Er griff hinter sich und zog einen dünnen, übergroßen Band aus dem untersten Regalbrett. »Tomio Watanabes Atlas der Rechtsmedizin. Zum ersten Mal 1968 veröffentlicht, in Japan gedruckt, daher heute schwer zu bekommen.« Er blätterte bis zu einem Abschnitt über Strangulierungen und drehte das Buch dann um, damit ich hineinsehen konnte. Zu sehen waren Fotografien japanischer Selbstmordopfer, die offenbar von verschiedenen Polizeirevieren und gerichtsmedizinischen Instituten in Japan stammten. Eine junge Frau hatte den Hals in eine Astgabel eines Baumes gequetscht und sich so die Halsschlagader abgedrückt. Eine andere Frau hatte eine doppelte Schlinge in einen langen Strick geschlungen, ihn sich um den Hals gelegt, anschließend die Füße durchgestreckt und so eine Erdrosselung durch Abbinden erzielt. Bei der Methode, auf die sich Dr. Yee bezog, hatte ein Mann einen Strick um einen Stein gebunden und diesen auf einen Stuhl gelegt. Dann schlang er sich diesen Strick um den Hals, setzte sich mit dem Rücken zur Stuhllehne hin und kippte den Stuhl nach vorn, so daß der Stein herunterrollte und ihn strangulierte.
    Ich studierte die Fotos auf den nächsten Seiten, die in allen Einzelheiten den Erfindungsreichtum dokumentierten, mit dem Menschen ihrem Leben ein Ende setzten. In jedem einzelnen Fall blickte ich auf das Gesicht der Verzweiflung. Ich sah einen Moment zu Boden und ließ das Szenario in meinem Kopf ablaufen wie einen Film. »Es kann nicht sein, daß sich zwei Männer an weit entfernt liegenden Orten in Kalifornien unabhängig voneinander die gleiche Methode haben einfallen lassen.«
    »Wahrscheinlich nicht«, sagte ich. »Trotzdem ist es angesichts der Tatsache, daß sie befreundet waren, möglich, daß sie gehört haben, wie jemand diese Technik beschrieben hat. Wenn man Selbstmord begehen will, ist das Schöne an dieser Methode, daß es kein Zurück mehr gibt, wenn man erst einmal den Stein durch die Astgabel gerollt hat. Außerdem tritt der Tod relativ schnell ein; zwar nicht sofort, aber man verliert innerhalb einer Minute oder schneller das Bewußtsein.«
    »Und das sind die einzigen beiden Todesfälle dieser Art, von denen Sie wissen?«
    »Allerdings. Ich glaube nicht, daß es eine Serie gibt, aber diese beiden müssen zusammenhängen.«
    »Wie haben Sie von Ritters Tod erfahren?«
    »Durch Newquist. Er wußte über Ritter Bescheid, seit dessen

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