Kopf in der Schlinge
brauchen konnte, erst recht nicht in unserem Alter. Mein Gott! Wer hat Ihnen denn solches Zeug erzählt? Jemand, der Ärger machen möchte, das kann ich Ihnen garantieren.«
»Wie gut kannten Sie ihn?«
»Ich habe ihn nur zweimal getroffen. Nein, falsch. Ich habe ihn dreimal getroffen. Zuerst ging es nur um die Arbeit, angefangen mit dem Fall, an dem er gearbeitet hat.«
»Was für ein Fall war das?«
»Der Sheriff droben in Nota Lake hat in einer öden Gegend einen vermeintlichen Selbstmörder gefunden, einen früheren Häftling namens Ritter, der sich am Ast einer Eiche erhängt hatte. Die Identifizierung wurde durch seine Fingerabdrücke bestätigt, und Tom hat seine Spur bis zu seiner Entlassung aus Chino im Frühjahr ‘81 zurückverfolgt. Ritter hatte Familie in dieser Gegend; genauer gesagt in Perdido. Tom hat diese Verwandten angerufen, und sie haben ihm erzählt, daß Ritter mit einem Freund unterwegs war.«
»Alfie Toth«, ergänzte ich. Ich war neugierig auf ihre Version, wollte sie aber nicht in dem Glauben lassen, daß mir die Fakten völlig unbekannt seien.
»Wie haben Sie von ihm gehört?« wollte sie wissen.
»Na, ich habe auch meine Quellen, genau wie Sie. Ich weiß, daß Tom im Juni hierhergefahren ist, um nach ihm zu suchen.«
»Stimmt. Ich war diejenige, die etwas über den Kerl wußte. Toth war hier wegen eines Bagatelldelikts festgenommen worden. Ich rief Tom an, und er sagte, er komme am nächsten Tag. Das war Mitte April. Ich erklärte ihm, daß ich den Kontakt gern herstellen würde, aber er wollte das selbst übernehmen. Ich vermute, daß er dann zuviel zu tun hatte, da es Juni wurde, bis er es tatsächlich hierher schaffte. Zu der Zeit war Toth bereits aus der Haft entlassen worden und verschwunden.«
»Tom hat also nie mit ihm gesprochen?«
»Nicht daß ich wüßte. Es stellte sich heraus, daß der Leichnam, der dieses Jahr im Januar gefunden wurde, Toth war. Sowie er identifiziert war, rief ich Tom an. Der Tathergang war bei Ritter und Toth der gleiche, und das bereitete uns Kopfzerbrechen. Die beiden Todesfälle mußten etwas miteinander zu tun haben, aber es war schwer zu ermitteln, was dahinterstecken könnte.«
»Soweit ich gehört habe, lagen die beiden Morde fünf Jahre auseinander. Haben Sie dafür eine Erklärung?«
Ich sah, wie sie die Mundwinkel nach unten verzog und den Kopf hin und her wiegte, um ihre Unentschlossenheit auszudrücken. »Das war der Punkt, an dem Tom und ich uns nicht ganz einig waren. Es hätte ein abgekartetes Spiel sein können... wissen Sie, ein Banküberfall oder ein Einbruch, bei dem Ritter und sein Kumpan einen Komplizen übers Ohr gehauen haben. Der Typ spürt die beiden auf und bringt Ritter auf der Stelle um. Dann braucht er noch fünf Jahre, um dessen Freund Toth zu finden.«
»Was war Toms Theorie?«
»Tja, er dachte, Toth könnte Zeuge bei dem Mord an Ritter gewesen sein. In den Bergen passiert irgend etwas, und Pinkie Ritter kommt ums Leben. Toth kann fliehen, aber am Schluß findet ihn der Mörder doch.«
»Oder vielleicht hat Alfred Toth Ritter ermordert, und ein Dritter kam hinzu und hat Ritter gerächt.«
Sie lächelte kurz: »Ehrlich gesagt habe ich diese Theorie auch aufgestellt, aber Tom war fest davon überzeugt, daß der Täter in beiden Fällen derselbe war.«
Ich dachte an Dr. Yees Ansicht, die mit der Toms übereinstimmte. »Es würde mir weiterhelfen, wenn ich wüßte, wie ich mich mit Ritters Familie in Verbindung setzen kann.«
»Ich kann Ihnen die Telefonnummer geben. Ich habe sie zwar nicht bei mir, aber ich kann Sie nachher anrufen, wenn Sie möchten.«
»Das wäre wunderbar. Eines noch: Ich weiß, daß es mich nichts angeht, aber waren Sie in Tom verliebt? Das höre ich nämlich zwischen den Zeilen heraus.«
Ihre Körpersprache wandelte sich, und ich sah ihr an, daß sie mit sich selbst darum rang, wieviel sie preisgeben sollte. »Tom war treu wie ein Hund, seiner Frau völlig ergeben, und das hat er mir auch gleich zu Anfang gesagt. Ist es nicht immer so? Sämtliche guten Männer sind verheiratet.«
»So heißt es.«
»Aber ich sage Ihnen eines: Zwischen uns hat es wirklich gefunkt. Da habe ich zum ersten Mal den Begriff >Seelenverwandtschaft< verstanden. Wissen Sie, was ich meine? Wir waren Seelenverwandte. Ohne Witz. Es war, als fände ich mich selbst in einer anderen Hülle — mein geistiges Gegenstück — , und das war ein geradezu berauschendes Gefühl. Wir konnten mit fünf- oder sechshundert
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