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Kopf Unter Wasser

Kopf Unter Wasser

Titel: Kopf Unter Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: André Kubiczek
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Café.
    Â»Ich hab heut keine Zeit«, sagte Henry, »ich muss am Exposé für mein Buch schreiben.«
    Â»Und morgen?«
    Â»Morgen?«
    Â»Bitte!«
    Â»Na gut, meinetwegen.«
    Â»Das Ganze tut mir echt leid«, sagte Birte, und trotzdem wurde Henry, nachdem sie aufgelegt hatte, das Gefühl nicht los, er hätte sich entschuldigen sollen, weil sie insgeheim ihm die Schuld an der gestrigen Szene gab.
    Mittags – Henry hatte sich eine Kleinigkeit vom Imbiss geholt und saß damit vor dem Notebook – rief Bettina an, um mitzuteilen, dass sie und ihre Freundin soeben auf der Insel angekommen seien. Henry freute sich, ihre Stimme zu hören, und er sagte ihr das.
    Â»Du wirst es nicht glauben«, sagte Bettina. »Ich hab schon zwei Pastis getrunken.«
    Â» Ich ess grad mittag«, sagte Henry.
    Â»Was gibt’s denn?«
    Â»Frühlingsrollen, vom Vietnamesen unten.«
    Â» Wir grillen heute Abend.«
    Â»Und was?«
    Â»Fisch, Souvlaki, Gemüse. – Wissen wir noch nicht genau. Sieht alles sehr gut aus, was es hier gibt.«
    Â»Ich beneide euch.«
    Â»Warum kommst du nicht einfach her ? Wir können verlängern, um eine Woche oder zwei. Platz ist hier für mindestens vier Leute.«
    Â»Ich muss arbeiten. – Du weißt doch. Ich komm einfach nicht voran.«
    Â»Dann nimm deinen Laptop doch einfach mit. Keiner wird dich stören. Du kannst den ganzen Tag arbeiten. Und wenn dir danach ist, gehst du ein bisschen schwimmen. Es sind nur hundert Meter bis zum Strand. Du kannst dich auf die Terrasse setzen zum Arbeiten. Und abends grillen wir dann zusammen und trinken Retsina …«
    Â»â€¦ und Ouzo …«
    Â»Genau. – Also, was ist? Kommst du?«
    Â»Es geht nicht«, sagte Henry.
    Â»Schade«, sagte Bettina, ȟberleg es dir noch mal in Ruhe. – Wie gesagt, wir können verlängern.«
    Â»Das wird nichts. Nicht in diesem Jahr.«
    Â»Du fehlst mir«, sagte Bettina.
    Â»Ja«, sagte Henry.
    Birte kam in einem weißen, eng geschnittenen Leinenkleid zum vereinbarten Treffen. Sie trug denselben Strohhut, den sie bei ihrer ersten Begegnung in Seoul getragen hatte. Henry bemerkte, während sie auf seinen Tisch zulief, die Sonnenbrille abnahm, lächelte und ihm winkte, dass ihre Oberarme muskulöser geworden waren. Das stand ihr gut.
    Ãœberhaupt sah sie heute phänomenal aus, die sonnengebräunte Haut, das schneeweiße Kleid, die kirschrot geschminkten Lippen, das zum Pferdeschwanz gebundene Haar, das im Sonnenlicht schimmerte.
    Henry stand auf, als Birte an den Tisch trat. Er umfasste leicht ihre Taille und gab ihr einen Kuss auf die Wange. Sie bestellte einen Weißwein und erzählte, dass am nächsten Montag ihre Arbeit in der Stiftung beginne. Ihre Eltern hätten angeboten, ihr einen Kleinwagen zu kaufen, so wie den Fiat damals beim Studium, einen gepflegten Gebrauchtwagen, und nun überlege sie, ob man in Berlin ein Auto benötige. Zur Arbeit könne sie genauso gut mit der Straßenbahn fahren oder mit dem Fahrrad. Schon in Hamburg sei es immer schwierig gewesen, einen Parkplatz zu finden. Von den Spritkosten mal ganz abgesehen, und eigentlich wolle sie sich auch von den Eltern ein wenig unabhängig machen. Die hätten nicht nur den Umzug bezahlt und einige der neuen bzw. antiken Möbel, sondern würden während ihrer Zeit bei der Stiftung obendrein die Wohnungsmiete übernehmen. Das sei ihr etwas unangenehm. Sie sei jetzt achtundzwanzig Jahre und habe noch nie eigenes Geld verdient, das heißt, noch nie so viel, dass es für die Miete gereicht hätte und für Strom und für Klamotten und fürs Essen. Sie könne sich überhaupt nicht vorstellen, wie das andere handhabten. Die, die ohne ihre Eltern auskommen müssten. Sie stelle sich das furchtbar vor, furchtbar anstrengend.
    Birte erzählte mit ruhiger, gleichmäßiger Stimme. Henry, zurückgelehnt auf seinem Stuhl, nippte am Gin Tonic und rauchte ohne Hast Zigaretten. Einmal hatte Birtes Stimme so dunkel geklungen, so samtig, dass Henry ein Schauer über den Rücken gelaufen war. Er konnte die Gänsehaut auf seinem Unterarm sehen, die hochstehenden Härchen.
    Â»Und übrigens«, sagte Birte und trank einen Schluck Wein, zog an ihrer Zigarette, nahm die Sonnenbrille vom Tisch und setzte sie sich auf die Nase, »das neulich Nacht …«
    Â»Lass uns nicht mehr darüber

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