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Kopf Unter Wasser

Kopf Unter Wasser

Titel: Kopf Unter Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: André Kubiczek
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zeig es mir doch auch mal«, sagte Birte und zog die Nase hoch, »langsam wird mir das alles ein bisschen zu viel. Ich muss zu den Voruntersuchungen, ich muss zum Geburtsvorbereitungskurs, und ich bin wirklich die Einzige, die dort ohne Mann hinkommt. Und dann noch diese Scheißarbeit. – Und wofür das alles?« Sie schniefte, Henry reichte ihr ein Papiertaschentuch.
    Statt inhaltlich zu arbeiten, wie sie gehofft hatte, verrichtete Birte Handlangerdienste in der Stiftung. Sie kochte Kaffee, baute Veranstaltungstechnik auf und wieder ab, sie dekorierte kalte Platten mit frischen Kräutern, wenn ihre Chefin fand, dass das nötig sei. Birte schenkte Getränke aus und entkorkte Weinflaschen, sie lief mit Tabletts durch die Gegend und musste, wenn es eng wurde, der afrikanischen Spülkraft in der Teeküche zur Hand gehen. Sie machte Mikrofonproben und riss Eintrittskarten ab, genau wie im Goethe-Institut.
    Glaubte Henry Birtes Klagen, so bestand die Arbeit der Stiftung hauptsächlich darin, am kalten Büfett Propaganda zu betreiben: Vorträge und Konferenzen, Rechenschaftsberichte und Selbstdarstellungen, die Herausgabe von Broschüren und Faltblättern, Fundraising-Veranstaltungen mit Bundestagsabgeordneten sich fortschrittlich gebender Parteien. Allerdings brachte Birte so oft übrig gebliebenes Edelessen mit nach Hause, dass ihre Beschreibungen zu stimmen schienen. (Später, als ihr Frust noch größer wurde – die Arbeit konnte sie wegen des wachsenden Babybauches nur noch unter großer körperlicher Anstrengung erledigen –, begann sie, Teile des stiftungseigenen WMF-Küchenzubehörs zu klauen, unter anderem Suppenkellen, Schüsseln, einen Eisportionierer, zwei Pfeffermühlen. Manchmal brachte sie eine volle Weinkiste mit oder eine Flasche Olivenöl, und als Henry fragte, was das solle, behauptete Birte, das würden alle so machen. Noch bevor sie auffliegen konnte, war der Juni angebrochen, Monat der Niederkunft, und die Kündigung, die Birte im Winter eingereicht hatte, wurde wirksam.)
    Â»Wir brauchen keine neue Wohnung«, sagte Henry und strich jetzt ebenfalls über Birtes Bauch. »Meine Wohnung ist doch in Ordnung. Drei Zimmer, Gasetagenheizung. Und die Miete ist auch akzeptabel für diese Yuppie-Gegend.«
    Â»Ich will da aber nicht wohnen.«
    Â»Und warum nicht? – Kannst du mir einen vernünftigen Grund nennen?«
    Â»Ich will einen Neuanfang.«
    Â»Den kriegst du doch. – Ich werd die Wohnung streichen lassen.«
    Â»Ich müsste trotzdem immer daran denken, wie du mit dieser anderen Frau in der Wohnung gelebt hast. Das will ich nicht.« Birte nahm Henrys Hand von ihrem Bauch.
    Â» Darum geht’s also?«
    Â»Außerdem zeigt deine Wohnung nach Norden. Es ist morgens dunkel und mittags und nachmittags auch. Davon bekomme ich Depressionen.«
    Â»Wir können mehr Lampen kaufen, das soll nicht das Problem sein.«
    Â»Natürlich, typisch: Du denkst, das lässt sich mit ein paar Lampen regeln. – Weißt du was? Du kannst da gerne wohnen bleiben, in deiner tollen Wohnung, aber ohne mich und ohne meine Tochter«, sagte Birte. »Ich will nicht. – Ende der Diskussion.«
    Henry stand auf und holte sich eines der drei Biere aus dem Kühlschrank, die er auf dem Weg zu Birtes Wohnung in einem Imbiss gekauft hatte.
    Â»Willst du auch was trinken, einen Saft, ein Wasser?«, fragte er und setzte sich Birte gegenüber aufs Sofa.
    Â» Das finde ich jetzt echt unverschämt«, sagte Birte, und ihre Stimme klang gar nicht gut in Henrys empfindlichen Ohren.
    Â»Was? Dass ich dir anbiete, was zu trinken zu holen?«
    Â»Ich habe dir schon x-mal gesagt, dass ich den Geruch von Alkohol nicht vertrage. Mir wird davon schlecht. Geht das nicht in deinen Kopf rein?«
    Â»Bier riecht ganz anders als Wein«, sagte Henry, »letztes Mal hast du dich beschwert, als ich Wein getrunken hab.«
    Â»Außerdem stinkst du nach Zigarettenqualm.«
    Â»Ach so, ich vergaß: Von dem Waschmittel, das ich benutze, musst du dich ja auch übergeben.«
    Â»Arschloch«, sagte Birte, wand sich aus dem Sessel hoch und verschwand im Bad.
    Henry ging auf den Balkon, um eine zu rauchen. Sein Bier nahm er mit.
    Â»Okay, zurück zum Thema«, sagte er nach einer halben Stunde, in der sie sich angeschwiegen hatten.
    Birte saß im Sessel, eine Wolldecke um die Beine geschlungen, und

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