Kopf Unter Wasser
bloÃ, verdammt?«
»Mit so einer exotischen Frau â¦Â«
»Birte sieht vielleicht exotisch aus. Aber sie ist genauso deutsch wie du oder Vater.«
Um halb zehn brachen sie zu einem Spaziergang auf. Johanna lag dick eingepackt im Wagen und schlief nach zehn Minuten ein. Sie liefen die DorfstraÃe hoch bis zum Ortsausgangsschild, bogen dann auf einen Feldweg ein und umrundeten einen kleinen See. An der Autobahn, die Berlin mit Polen verband, kehrten sie um.
Zurück im Haus, war Henrys Groll gegen seine Eltern verflogen. Es war zwar frustrierend, aber irgendwie konnten sie nichts dafür, dass sie von Birte so dachten, wie sie dachten: rassistisch.
20.
»Was war das denn?«, fragte Birte am nächsten Morgen, als sie beim Frühstück saÃen. Es gab Rühreier, für Henry mit, für Birte ohne Speck.
Henry hatte das schrille Geräusch ebenfalls gehört: »Was meinst du?«
»Na, dieses Geräusch«, sagte Birte. Sie hielt die Gabel mit Rührei in die Luft und lauschte.
»Kannst duâs dir nicht denken?«
»Es war das Schwein, oder?«
»Ja, es war das Schwein«, sagte Henry, »aber du kannst weiteressen, es wird das Geräusch kein zweites Mal machen.«
»Das ist ja barbarisch«, sagte Birte und legte die Gabel auf den Teller.
»Das ist nicht barbarisch, sondern der Beginn von Wurst und Braten.« Henry sah den Tierarzt im weiÃen Kittel aus dem Stall kommen. Er trug einen Aluminiumkoffer. Kurz darauf stand er in der Küche und lieà sich von Henrys Mutter einen Schnaps einschenken.
»Sie sind aber nicht von hier«, sagte er zu Birte, nachdem Henry sie einander vorgestellt hatte.
»Aus Berlin.«
»Ich meine, wo Sie geboren sind, junge Frau.«
»In Hamburg.«
»Aus dem Westen also«, stellte der Tierarzt fest und lieà sich einen weiteren Schnaps eingieÃen. »Sie können ganz gut Deutsch.«
»Wie haben Sie das Schwein eigentlich umgebracht«, fragte Birte, »oder waren Sie das gar nicht?«
»Umgebracht?« Der Tierarzt sah Henrys Mutter an. »Ich würde eher sagen: getötet.«
»Getötet, ermordet, was macht das für einen Unterschied, der Todesschrei jedenfalls klang bestialisch.«
»Sie sind Vegetarierin, oder?«, fragte der Tierarzt.
»Ich war acht Jahre lang Vegetarierin.« Birtes Stimme vibrierte, und ihre Wangen begannen sich zu röten.
»Ich geh mich umziehen«, sagte Henry und stand auf, »kommst du mit?«
»Ich bin noch nicht fertig«, sagte Birte, ohne ihn anzusehen.
»Ich muss dann auch mal«, sagte der Tierarzt zu Henrys Mutter. »Ich komm nachher noch mal rüber und seh mir das Fleisch an.«
»Sie haben nicht geantwortet«, sagte Birte.
»Lassen Sie es gut sein, junge Frau. â Es ist alles nach Vorschrift gelaufen. â Und nur falls Sie es nicht wissen: Ich bin der Kreistierarzt.«
Oben in Henrys Zimmer schlief Johanna in der Wiege, ihr Atem rasselte leise. Die Mutter hatte ihm Arbeitssachen rausgelegt, eine alte Trainingshose des Vaters, grobe Wollsocken, einen Pullover und eine blaue, daunengefütterte Arbeitsjacke. Unten suchte er sich ein passendes Paar Gummistiefel.
Birte saà allein in der Küche, hielt einen Kaffeebecher umklammert und guckte aus dem Fenster.
»Wie seh ich aus?«, fragte Henry.
Birte sah ihn an: »Wie ein Dorftrottel.«
»Schlechte Laune? â Doch nicht etwa wegen des Tierarztes?«
»Lass mich in Ruhe.«
»Guck mal, das sind Tante Ingrid und Onkel Erwin«, sagte Henry und zeigte durchs Fenster auf den Hof, »komm, ich stell dich schnell vor.«
»Nachher vielleicht, okay?«, sagte Birte. »Ich geh hoch und leg mich noch mal hin.«
»Falls du mich suchst, ich bin hinterm Stall oder in der Waschküche.«
»Viel Spaë, sagte Birte, »wobei auch immer.«
Als Henry hinterm Stall ankam, hing das Schwein schon an dem riesigen Haken, den sein Vater vor Jahren eigens zu diesem Zweck in die Wand eingelassen hatte. Die Hinterbeine drückte ein gekürzter, an beiden Seiten angespitzter Besenstiel auseinander, dessen Enden in den aufgeschlitzten FüÃen steckten. Der Kopf baumelte einen halben Meter über dem BetonfuÃboden, den Henrys Onkel dort gegossen hatte. Es gab sogar einen vergitterten Abfluss in der Bodenplatte.
Der Vater war gerade dabei, mit einem Messer den Bauch des Tieres zu öffnen.
»Da
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