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Kopf Unter Wasser

Kopf Unter Wasser

Titel: Kopf Unter Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: André Kubiczek
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in die Kisten zu legen, oder sie versteckte sich in den leeren Kartons. Für Johanna war es ein Abenteuer, dass die Wohnung nun jeden Tag anders aussah, dass überall Sachen herumlagen, Küchengeräte, die man aneinanderschlagen konnte, Kleiderberge, unter die sich kriechen ließ.
    Währenddessen saß Henry paralysiert in seinem Arbeitszimmer. Er hörte seine Tochter juchzen, und er bekam den Frosch nicht weg, der ihm im Hals saß. Nicht mit Bier und nicht mit Wodka. Drei Tage nachdem Birte angefangen hatte zu packen, begann es, in den Zimmern leer zu hallen, und Henry fing hektisch an, Sachen über das Internet einzukaufen: zwei Teppiche, einen Esstisch, Stühle, ein Kinderbett und ein schwarzes Ledersofa. Einiges davon traf noch ein, bevor Birte mit ihrem Kram verschwunden war. Die Wohnung in diesem Zustand musste Johanna wie ein riesiger Spielplatz vorgekommen sein.
    Am Tag des Auszugs, einem Sonntag, ging Henry früh aus dem Haus. Er hatte Johanna umarmt und es vermieden, Birte in die Augen zu sehen. Auf der Treppe kamen ihm die Möbelträger entgegen.
    Beim Türken, der schon aufhatte, kaufte er eine Flasche Raki. Dann ging er los, er ging eine riesige Runde, er kam durch Gegenden von Berlin, in denen er noch nie gewesen war. Er machte nur Pause, um einen Schluck zu trinken und eine Zigarette zu rauchen.
    Die Stadt rauschte an seinen Ohren vorbei, ihre Konturen verschwammen vor seinen Augen.

23.
    Â»Sie haben ihn gefunden«, sagte Cynthia sachlich.
    Â»Ich weiß, ich hab es vorgestern im Polizeiticker gelesen«, sagte Henry, »ich hab auch das Foto gesehen.«
    Â»Ich musste ihn identifizieren, und sie haben mir gesagt, dass es da eine komische Sache gibt. Und zwar die Verletzung, die zu seinem Tod geführt hat …«
    Â»Das stand auch in der Meldung.«
    Â»Nein, so wie ich es dir jetzt erzähle, stand es eben nicht in der Meldung. – Sie gehen von einem Schuss aus. Das Geschoss ist in die Brust eingetreten, hat das Herz durchschlagen und ist am Rücken wieder ausgetreten. Es wurde keine Patrone oder Kugel gefunden. Keine Hülse, du weißt schon, was ich meine.«
    Â»Ja.«
    Â»Die Eintrittswunde ist kreisrund und hat einen Durchmesser von zwei Zentimetern. Die Austrittswunde ist genauso groß.«
    Â»Dann ist es die Größe der Wunde, die ihnen komisch vorkommt?«
    Â»Nein, sie haben mir gesagt, dass die Wunde gefroren war, als sie ihn gefunden haben. Seine halbe Brust war praktisch vereist. Und die Verletzung ging wie ein Kanal durch seine Brust. Wie eine glatte Röhre.«
    Â»Was?«
    Â»Man hat quasi durchgucken können, haben sie gesagt, und erst im Laufe des Vormittags ist die Brust aufgetaut. Und der Tunnel hat sich wieder geschlossen.«
    Â»Das ist ja unglaublich«, sagte Henry, »ich meine, wir haben fast Sommer.«
    Â»Sie haben gefragt, ob ich irgendeine Ahnung hätte, was passiert sein könnte. – Ich habe gesagt, nein, und dass Peter die betreffende Nacht nicht zu Hause gewesen ist, dass er wahrscheinlich eine Geliebte hat, von der ich aber weder den Namen kenne noch die Adresse. – Und ich habe gesagt, dass du den Abend vorher mit ihm in der Kneipe warst.«
    Â»Oh Mann«, sagte Henry, »du hetzt mir die Polizei auf den Hals?«
    Â»Um dich deswegen vorzuwarnen, rufe ich an«, sagte Cynthia, »früher oder später wären sie von alleine auf dich gekommen. Ich hab ihnen deine Adresse gegeben, und sie werden dich wahrscheinlich demnächst besuchen, um deine Aussage aufzunehmen.«
    Â»Hast du was von Johanna gehört oder von Birte?«
    Â»Denen geht’s gut.«
    Â»Haben sie vielleicht was ausrichten lassen?«
    Â»Nein«, sagte Cynthia.
    Die Abmachung, die Henry und Birte bezüglich Johannas Aufenthalt hatten, hielt ein halbes Jahr. Nichts war schriftlich fixiert, und so war es wenig verwunderlich, dass Birte die mögliche Einschränkung seines Umgangs mit Johanna als Druckmittel einsetzte, zuerst sanft, später dann deutlicher.
    Anfangs war es noch so gewesen: Henry holte Johanna am Freitagnachmittag vom Kindergarten ab und brachte sie am Montagmorgen wieder hin. Birte selbst hatte sich die Aufteilung so erbeten, da sie endlich wieder ausgehen wollte, nachdem sie sich ein ganzes Jahr nur um Johanna gekümmert habe. Sie wolle unter Menschen kommen, und Freitag- und Samstagabend seien zu diesem Zweck die besten Zeiten. Henry war sofort

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