Kopfueber in die Kissen Roman
so vertrauten Züge blickte, wurde ihm mit einem Mal klar, wie man die Dinge verpfuschte, selbst wenn man jemanden liebte - nicht aus Absicht, sondern aus purer Dummheit.
Er holte tief und zittrig Atem. Nichts davon konnte er seinem Vater im Augenblick erklären, obwohl er später einen Weg würde finden müssen, es zu tun; also nickte er bloß und machte sich auf den Weg zur Terrasse. Aber als er hinaustrat, erwartete ihn ein weiterer Schock - an einem Tag, an dem es nichts als solche zu geben schien.
»Boys, they wanna have fun. Oh, yeah! Boys, they wanna have fun.« Torie stand mitten auf der Terrasse und schwang Petie herum. Auf ihrem Gesicht lag ein breites Lächeln, eins, wie er es noch nie bei seiner Schwester gesehen hatte. Petie quietschte und jauchzte, und Dex saß auf der Terrassenbank, ein Bier in der Hand und ein Grinsen, das ihm von einem Ohr zum andern reichte, im Gesicht. Während Kenny noch versuchte, die Veränderung seiner Schwester zu verdauen - derselben Schwester, die noch vor kurzem den Kleinen kaum hatte ansehen können -, überkam ihn dieses verrückte Bedürfnis, Dex einen herzhaften Kuss auf die Lippen zu pflanzen, genau wie Emma Torie.
Seine Schwester sah ihn im Türrahmen stehen und hielt inne. Petie krähte begeistert, als er Kenny erblickte. Warren und Shelby traten ebenfalls heraus. Sein Vater ging zum Getränketablett, das auf dem Tisch stand. Shelby setzte sich neben Dexter, zog die Knie unters Kinn und blickte Kenny mit besorgtem Blick an. Sie alle waren hier versammelt, um ihm zu helfen, sein Leben wieder auf die Reihe zu kriegen. Noch gestern hätte ihn diese Vorstellung in den Wahnsinn getrieben, doch nun tröstete ihn seine Sippschaft.
Petie streckte dem großen Bruder die molligen Ärmchen entgegen und stieß ein befehlendes Quäken aus. Torie, deren Stirn ebenso gefurcht war wie Shelbys, trat auf ihn zu. Kenny nahm ihr das Baby ob, doch ließ er seine Schwester nicht aus den Augen. »Wo ist sie?«
»Diesmal hast du’s aber richtig vermasselt, Kenny. Sie will echt gehen.«
»Nein, wird sie nicht«, entgegnete er steinern.
»Sie hat sich’nen Flug reserviert. Shelby und ich haben versucht, es ihr auszureden - aber du weißt ja, wie sie ist. Wieso, zum Teufel, tauchst du jetzt erst auf?«
»Ich hab überall nach ihr gesucht, und deine Nachricht hab ich erst vor wenigen Augenblicken erhalten.« Er wich der nassen Babyfaust aus, die sich in seinen Mund schieben wollte. »Sag, wo ist sie?«
»Drinnen. Sie telefoniert mit Patrick. Er soll ihre Sachen packen«, erklärte Shelby aus ein paar Metern Entfernung. »Wir haben ihr gesagt, sie muss zuerst zur Ranch zurück und mit dir sprechen; aber sie meinte, das wär nicht nötig - da du nicht mit ihr reden würdest, selbst wenn sie’s versuchte.«
Das traf, denn er wusste genau, was Emma meinte. Er fuhr herum, um sie zu suchen, blieb jedoch abrupt stehen, denn plötzlich erschien sie von selbst.
Emma starrte ihn wortlos an, und die Kälte ihres Blicks ging ihm direkt in die Blutbahn. Es war ihr Schullehrerinnenblick,
der besagte, dass er zwar nicht länger von der Tour suspendiert sein mochte, aber von ihrem Leben schon.
Er merkte, dass er schon wieder ein Golfshirt durchschwitzte. Himmel, was für eine harte Frau! Eine Frau, der einmal zu oft von ihrem Mann Unrecht getan worden war. Und das alles bloß deshalb, weil er die Worte, die in seinem Herzen schlummerten, zu spät herausgelassen hatte.
»Schätzchen?« Sein vorsichtiger Ton ließ ihn wie einen Feigling erscheinen; aber er war kein Dummkopf und wusste, dass hier ein strategisches Vorgehen vonnöten war.
Sie blinzelte, richtete sich kerzengerade auf und reckte ihr süßes Kinn. »Ah, Kenny!« Sie marschierte auf ihn zu, ganz geschäftig, ganz Business, und obwohl sie ihren Schirm nicht dabei hatte, glaubte er, die Spitze förmlich in seiner Magengrube zu spüren. »Freut mich, dass du aufgetaucht bist. Dann brauche ich dir ja keinen Zettel zu schreiben.«
Einen Zettel? Sie hatte ihm einen Zettel hinterlassen wollen? Und schon begann es wieder in ihm zu kochen.
»Patrick bringt mir meine Sachen vorbei, und ich habe mit Ted gesprochen. Er wäre bereit, mich nach San Antonio zu fahren.«
Dieser miese kleine Bastard!
»Da dir jedoch anscheinend diese Stadt gehört, samt allen Bewohnern, tut natürlich keiner das, worum ich gebeten habe - also habe ich mir einen allgemeinen Fahrdienst bestellt. Sobald ich gepackt habe und in San Antonio angekommen bin, werde ich
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