KOR (German Edition)
gezogenen Saal. Auf beiden Seiten sta n den jeweils fünfzehn Betten mit Infusionsständern. An einem der Ständer hing zwar ein Beutel mit Glukoselösung, doch ansonsten schien der Saal nie benutzt worden zu sein.
Am oberen Ende des Saales trennte eine Tür mit eckigem Sichtfenster e i nen kleinen Raum von der übrigen Station ab.
Durch das Fenster erkannte Yui eine mit grünem Tuch bedeckte Liege s o wie einen schmalen Tisch, auf dem der Koffer für das Operationsbesteck lag. Sie drehte sich um. „Ich frage mich, wieso der Infusionsbeutel dort hängt. Auf dem Bett scheint niemand gelegen zu haben.“
Maggie untersuchte den Beutel. Der Infusionsschlauch, der davon ausging, verschwand unter der Decke. Sie zog den Schlauch hervor. An seinem Ende steckte eine Nadel. „Der Beutel ist noch voll. Möglicherweise legte jemand gerade eine Infusion, als er unterbrochen wurde.“
Yui trat zu ihr. „Aber in dem Bett lag augenscheinlich niemand. Für wen sollte die Infusion denn gewesen sein?“
Maggie warf die Decke zurück. Das Leintuch wurde von einer Anzahl ros t brauner Flecken verunziert. „Jemand hat hier gelegen. Vielleicht ein kleinerer Unfall.“
Yui betrachtete mit leichtem Ekel die eingetrockneten Blutflecke.
„Es ist mir rätselhaft“, bemerkte Maggie. Sie ließ den Schlauch los, sodass die Nadel nun knapp über dem Boden baumelte. „Doch genau deswegen sind wir wohl hier. Um herauszufinden, was vorgefallen ist.“
„Um ehrlich zu sein, bin ich froh, dass wir uns hier nur drei Tage aufhalten werden.“
Maggie musterte sie eingehend. „Haben Sie etwa Angst?“
Yui verschränkte ihre Arme. „Eher ein ungutes Gefühl. Ich weiß auch nicht, wieso.“
Maggie strich ihr über die Schulter. „Ich habe genug Beruhigungstabletten dabei, um eine ganze Elefantenherde außer Gefecht zu setzen. Wenn Sie etwas davon brauchen, sagen Sie einfach Bescheid.“
„Es fällt mir schwer, mich schnell in neue Situationen einzufinden. Vie l leicht liegt es ganz einfach daran.“
Maggie schmunzelte. „Ich verstehe nicht, wie sich eine so zarte Person wie Sie einen solchen Job wählen konnte. Oder schlummern in Ihnen ung e ahnte Kräfte?“
Yui spürte, wie sie leicht errötete. „Wenn ich mich nur auf meine Arbeit konzentriere, dann geht es. Das Interesse daran motiviert mich. Zugleich gehört dazu aber auch eine große Überwindung. Wie zum Beispiel in einem Flugzeug zu sitzen.“
„Ihre Willensstärke ist in der Tat bemerkenswert. Ich kenne Menschen, die ihre Tätigkeiten aufgegeben haben, da Phobien sie daran hinderten, diese weiterzuverfolgen. Eine Z eit lang litt ich unter einer gewissen Angst. Kurz , nachdem meine Lebensgefährtin gestorben war. Wir kletterten gern . Bei einer unserer Touren rutschte Susan ab und stürzte fünfzig Meter in die Tiefe. Der Unfall führte dazu, dass ich längere Zeit keinen Berg mehr beste i gen konnte. Schon der Anblick eines Berges führte dazu, dass ich mich vor Angst und Schuldgefühlen verkrampfte. Irgendwann nahm ich all meinen verbliebenen Mut zusammen und suchte die Stelle auf, an der Susan gesto r ben war. Ich weiß nicht, weshalb, doch es hat gut getan. Es fühlte sich an, als habe Susan die ganze Zeit nur darauf gewartet, dass ich diesen Ort besuche. Bis heute glaube ich, dass Susan neben mir saß und den Blick durch die Ferne schwe i fen ließ. Seitdem klettere ich jedes Jahr an ihrem Todestag zur U n glücksstelle. Das Gefühl ihrer Gegenwart hat inzwischen nachgelassen. Aber für mich wirkt es jedes Mal wie eine Läuterung.“
„Das mit Ihrer Freundin tut mir l eid.“
Maggie tupfte mit den Fingerspitzen gegen ihre Augenwinkel. „Zu dumm, hier in schmerzvollen Erinnerungen zu schwelgen. Wir sind hier, um nach einer Mannschaft zu suchen und nicht, um uns gegenseitig zum Heulen zu bringen.“
Die Tür zur Krankenstation öffnete sich mit einem sanften Quietschen. Chad trat ein und winkte Yui zu. „Ich brauche deine Hilfe.“
Sie bemerkte sogleich seine Aufgeregtheit. Chad mochte für viele gelassen wirken, aber sie kannte ihn zu gut, um nicht zu wissen, wie sehr er sich in eine Angelegenheit hineinsteigern konnte. „Was ist passiert?“
„Simon und ich haben etwas gefunden. Um es auf den Punkt zu bringen: A ller Wahrscheinlichkeit nach handelt es sich um ein Artefakt. Allerdings fällt es mir schwer, es auf einer kulturellen Ebene einzuordnen.“
„Hast du gerade Artefakt gesagt?“ Sofort vergaß Yui die rätselhaften Blu t flecke sowie den vollen
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