KOR (German Edition)
spannend zu werden.“
„Das haben Sie nicht mir zu verdanken.“ Simon bückte sich und zog einen schweren Gegenstand aus dem untersten Fach. Er war klobig und besaß eine lang gezogene, dreieckige Form. Jemand hatte ihn mit Plastikfolie umwickelt. Simon trug ihn mit beiden Händen zu den Tischen und legte ihn dort ab. „Dem Aussehen nach tippe ich auf einen Vulkanit. Ich bin alles andere als ein Geologe.“ Er stützte sich mit beiden Händen auf der Tischplatte ab und blickte konzentriert auf das grünlich schimmernde G e stein.
Chad Kruger wirkte angespannt. „Wenn mich nicht alles täuscht, so haben wir es hier mit einem bearbeiteten Stein zu tun.“
Simon hob seine Augenbrauen. „Wie meinen Sie das?“
Chad deutete auf die Ränder und Kanten. „Die Form erscheint mir keine s wegs natürlich zu sein. Es gibt Spuren von Steinwerkzeugen. Betrachtet man das Ding genauer, so ergibt sich eine zwar klobige, aber erkennbare Kege l form.“
„Hören Sie mal, Mr. Kruger, wissen Sie überhaupt, was Sie da sagen? Sie behaupten damit, dass es sich hierbei um einen von Menschen geschaffenen Gegenstand handelt. Das Erzeugnis einer primitiven Kultur am Pol der U n zulänglichkeit? Ich … Also ich weiß nicht, was ich davon halten soll.“
„Diese dreieckige oder vielmehr kegelartige Form ist auch für mich neu.“
„Mr. Kruger, ich kann nicht glauben …“
„Warten Sie hier einen Augenblick. Ich denke, meine Assistentin sollte sich diesen Gegenstand ebenfalls ansehen.“
Simon schüttelte den Kopf, als der Professor eilig den Raum verließ. Selbst wenn es sich tatsächlich um den Rest einer verschwundenen Kultur handeln sollte, blieb die Frage offen, wie dieser Gegenstand überhaupt hergekommen war.
*
Als Julia Whitehead aus dem Treppenschacht trat, schaltete sich in dem bre i ten Flur automatisch die Deckenbeleuchtung ein. Am rechten Ende des Ga n ges lagen Küche und Messe. Genau ihr gegenüber führten zwei Türen zu den Gemeinschaftsduschen. Weiter den Gang hinauf reihten sich die Wohnräume aneinander.
Und dann gab es noch den Funkraum.
Sie suchte diesen als E rstes auf. Es wunderte sie, dass Kruger ihn nicht ebenfalls untersuchte. Schließlich hatte mit dem Funkspruch alles begonnen. Der Blick in den Raum erwies sich als wenig erhellend. Die Geräte waren eingeschaltet. Sie bemühte sich, nicht in Euphorie zu geraten. Klar war damit nur, dass die Anlage funktionierte. Es lag also im Bereich des Möglichen, dass jemand von hier aus einen Funkspruch abgesendet hatte. Mehr aber auch nicht. Ihren Vater schloss sie davon aus. Die Stimme hatte anders geklungen.
Innerhalb der drei Tage, die für die Suchaktion veranschlagt waren, musste es möglich sein, herauszufinden, was mit ihrem Vater geschehen war. Sie hoffte, dass er noch lebte. Auch wenn niemand sie nach ihrer Landung b e grüßt hatte und diverse Expertenmeinungen dagegensprachen, so handelte es sich nicht um eine abstruse Idee.
Der Soldat, der ihr folgte, nervte sie. So wie er seine Pistole hielt, litt er b e stimmt unter Penisneid oder anderen Minderwertigkeitskomplexen. Was sollte ihr hier oben schon passieren? Die Stimme, die den Funkspruch übe r mittelt hatte, hatte zwar nicht nach ihrem Vater geklungen, doch hieß das noch lange nicht, dass es auf KOR etwas gab, das ihnen gefährlich werden würde. Sie konnte über die Schlussfolgerungen dieses Fachidioten vom MIT inzwischen nur noch lachen. Eine nichtmenschliche Stimme. Hatte er ihr Angst einjagen wollen? Dass nicht ihr Vater den Funkspruch gesendet hatte, hatte sie natürlich enttäuscht. Aber Angst? Wovor sollte sie Angst haben? Vor einer leeren Forschungsstation? Davor, ihren Vater wieder zu finden?
Von Deck Eins drangen gelegentlich die Stimmen der anderen zu ihr e m por. Ansonsten herrschte in der Station Totenstille. Hin und wieder knackten die Containerwände.
Der Mann hinter ihr schaute aufmerksam in den Flur. Sie schätzte sein A l ter auf Mitte z wanzig . Der weißgraue Tarnanzug ließ ihn älter e r scheinen. Sein sehniger Hals und seine muskulösen Arme mochten vielleicht Frauen wie diese Schlampe Okada beeindrucken, nicht aber Julia. Vor einigen Jahren hatte sie eine Beziehung mit einem anderen Wissenschaftler, der drei Jahre älter war als sie. Lyon beschäftigt e sich wie sie mit den klimatischen Veränd e rungen in den Polarregionen. Damals hatte sie sich beinahe glücklich gefühlt. Auf jeden Fall hatte die Beziehung geholfen, ihren Jähzorn im Zaun zu ha l ten. Sie
Weitere Kostenlose Bücher