KORNAPFELGRUEN
beiderlei Geschlechts das Alter bereits um diesen Dreh herum, aber wir müssen trotzdem vorsichtig sein. Eine zu jugendliche Ausstrahlung ist hier bei uns nicht gefragt. Schließlich ist dies eine Senior-Model-Agentur, wie schon der Name sagt. Und das muss man unseren Modellen auch ansehen, schließlich haben unsere Auftraggeber entsprechende Produkte zu bewerben. Aber das brauche ich Ihnen ja alles nicht mehr zu erklären. Also jedenfalls, die beiden jüngeren Herren wollen sich dennoch bewerben. Es kann auch gar nicht schaden, einige Probeaufnahmen von beiden zu machen, dann werden wir sehen. Beide haben natürlich Berufe und deshalb nur am Montagmorgen für eine Stunde Zeit!“
„Kein Problem! Ich werde um acht Uhr hier sein.“
Was bedeutete, Camilla würde sich wieder einmal mit Richard ums Badezimmer kabeln müssen. Richard war nämlich der felsenfesten Meinung, er habe morgens das alleinige Besitzrecht daran, schließlich sei Camilla freiberuflich und könne sich ihre Zeit damit folgerichtig auch frei einteilen.
„Wunderbar, Camilla! Dann entlasse ich Sie ins Wochenende. Sie haben sicherlich etwas Schönes geplant mit Ihrem Mann?“
„In der Tat. Ich treffe mich gleich mit ihm bei dem neuen Italiener in der Herzogstraße. Ich bin schon ein bisschen spät, fürchte ich ...“
„Dieser Italiener soll ganz ausgezeichnete Pasta haben und immer frischen Fisch. Na, dann wünsche ich Ihnen guten Appetit. Laufen Sie, und am Montag berichten Sie mir dann, ob das Lokal tatsächlich seinen sagenhaft guten Ruf verdient, ja?“
Camilla nickte kurz und stürmte auch schon aus der Tür. Richard konnte sehr gereizt reagieren, wenn er eine Zeitlang in einem Restaurant alleine herumsitzen und warten musste.
Der Freitagabendverkehr toste, als Camilla aus der Agentur hetzte. Sie würde unvermeidlich zu spät kommen, und Richard den ganzen Abend über sauer sein. Er würde ihr wieder einmal einen Vortrag darüber halten, wie gut sie es doch habe, als „Freiberufliche“ ihre Zeit selbst einteilen zu können – und wie wenig sie dazu in der Lage sei. Stets sei sie gehetzt und komme trotzdem häufig noch zu spät.
„Blablabla, und so weiter, und so fort“ murmelte Camilla vor sich hin, als sie sich in den fließenden Verkehr einreihte. Hinter ihr hupte es empört. Im Rückspiegel flammte das Lichtsignal ihres Hintermannes auf. Und wieder die durchdringende Hupe.
„Himmel, was habe ich denn falsch gemacht?“ murmelte Camilla. „Nur, weil ich mich eingefädelt habe, solch ein Trara? Immerhin ging es zügig, du Pfeife! Ich wette, du hast wegen mir weder herunter schalten, noch bremsen müssen!“
Der Fahrer hinter ihr schwenkte jetzt auf die linke Fahrspur, zog an Camilla vorbei und zeigte ihr dabei den Stinkfinger.
Der Typ in seiner Nobelkarosse mochte so um die Mitte Dreißig sein. Durchgestylt wie aus einem italienischen Modejournal herabgestiegen, soviel konnte sie erkennen.
Ein markantes Gesicht, Sonnenbrille, gebräunte, männliche Hände. Auf den ersten Blick durchaus ein Womanizer – und trotzdem ein ausgemachtes Arschloch!
Auf einem Foto mochte man dies ja vielleicht nicht sehen (obwohl auch das nicht immer sicher war), aber in der Realität konnte der Knabe das auf keinen Fall länger als höchstens ein paar Stunden verbergen. Wenn überhaupt! Und damit kam er eben als Womanizer schlussendlich doch nicht in Frage. Punkt.
Camilla quetschte den Wagen mal wieder in eine eigentlich etwas zu enge Parklücke.
Erst, als sie bereits ausgestiegen war, sah sie, mit wem sie da Stoßstange an Stoßstange parkte.
Es hätte wahrhaftig kein Blatt Papier mehr dazwischen gepasst ….
Bei dem anderen Auto handelte sich eindeutig um Richards geheiligten Firmenwagen!
Camilla warf einen verzweifelten Blick auf ihre Armbanduhr. Sie war bereits so reichlich zu spät, dass es nicht mehr in Frage kam, nach einem anderen Parkplatz zu suchen.
Richard würde sich also heute Abend leider ein zweites Mal heftig echauffieren dürfen über seine gedanken- und verantwortungslose Ehefrau.
Das Leben konnte schon manchmal verdammt hart sein.
Richard strahlte übers ganze Gesicht, als Camilla das Lokal und kurz darauf den reservierten Tisch stürmte. Einen Moment lang stutzte sie, dann ließ sie sich erleichtert auf den Stuhl ihm gegenüber sinken.
Dem Himmel sei Dank! Richard schien sichtlich gute Laune zu haben, der Abend war gerettet. Sie konnte sich damit voll und ganz der Freude hingeben, ihren knurrenden Magen
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