KORNAPFELGRUEN
versuchen. Wenn dieser Friedrich wirklich so gut mit dem Rabenaas umgehen kann, mir soll es Recht sein. Obwohl ich das alles noch gar nicht glauben kann!“
„Einen Versuch ist es auf alle Fälle wert,“ sagte Camilla. „Immerhin könnte dir Alex auf die Art eine schöne Stange Geld einspielen. Und damit leistest du dir dann deinen Traum vom Trip in die USA.“
„Hast ja Recht“, Ruth lachte.
Dann wurde sie urplötzlich wieder ernst: „Ich möchte bloß wissen, wo mein Herr Sohn sich die ganze Zeit herumtreibt. Ich meine, wenn das Mädel so toll ist, könnte er sie mir doch mal vorstellen, oder nicht? Vielleicht werde ich dann ja auch schon bald Großmama. Du, das wäre toll, Camilla, dafür würde ich glatt auch San Francisco sausen lassen. So ein Baby braucht nämlich jede Menge an Erstausstattung, das kommt teuer, kann ich dir sagen.“
Camilla sagte nichts. Sie überließ Ruth ihren Schwärmereien. Es blieb nur zu hoffen, dass Sabina wirklich bald schon genug von Raoul haben würde. Sonst konnte sich Ruth ihren Traum vom „Großmutterwerden“ in den Kamin schreiben.
6
„Schön, meine Herren! Haben Sie bitte einen Moment Geduld, unsere Fotografin muss jeden Moment hier sein!“
Viktorias klare Stimme schallte Camilla entgegen, die gerade die Agentur betreten hatte.
Leise öffnete sie die Tür zum sogenannten Fotostudio, um in Ruhe ihre Kamera auszupacken und zu installieren.
Camilla war noch reichlich schlaftrunken an diesem Montagmorgen, und das letzte, wonach ihr jetzt der Sinn stand, war, sich mit zwei alternden Möchtegernmodels männlichen Geschlechts herumzuschlagen.
Sie hatte wahrlich schon interessantere Aufträge gehabt als diesen hier! Allerdings zahlte die Agentur wenigstens vernünftig und vor allem prompt. Und von Luft und Liebe alleine konnte Camilla ja nun auch nicht existieren. Wobei selbst die Sache mit der Liebe bei ihr nicht so richtig klappen wollte.
In letzter Zeit kam ihr immer häufiger der Verdacht, dass aus ihrer Beziehung mit Richard die Luft weitgehend raus war. Bliebe dann also nur noch die Luft zum Leben. Ein bisschen sehr wenig. Also die Kamera weiter ausgepackt und tapfer zwei eitle Gockel abgelichtet, Camilla! Ran an den Speck.
Sie stutzte, als sie draußen auf dem Flur eine männliche Stimme sagen hörte – „Ah, da ist ja das Fotostudio. Wir könnten eigentlich schon mal reingehen, Simon! Und uns mental vorbereiten, was?“ – ein trockenes kurzes Lachen folgte.
Camilla hielt vor Überraschung die Luft an.
Verdammt, war das denn nicht …?
Dieses samtige Timbre kannte sie mittlerweile so gut, sie hätte es unter Tausenden von männlichen Stimmen wiedererkannt. Aber der dazugehörende Typ saß doch angeblich in irgendeinem Baumhaus herum?!
Die Tür ging auf, und zwei männliche Gestalten erschienen im Türrahmen.
Der eine, größere und schlankere von beiden, war tatsächlich – Daniel Kleeberg! Unverkennbar. In voller männlicher Lebensgröße.
„Sie?“ fragte er halblaut, als er Camilla erkannte. „Also, Sie hätte ich hier wirklich am wenigsten erwartet, Camilla!“
„Das geht mir im umgekehrten Falle genauso.“
Sie mussten beide lachen.
Daniels Begleiter räusperte sich diskret. „Ah, Daniel, würdest du eventuell so nett sein und mich der Dame vorstellen?“
„Aber mit Vergnügen, Simon, entschuldige bitte! Ich war einen Moment lang so überrascht von dem erfreulichen Anblick, ich hatte glatt deine Anwesenheit vergessen.“
„Ich heiße Camilla Bergen, und bin seit neuestem hier in der Senior-Agentur die, nennen wir es Hausfotografin“, erklärte Camilla ihre Roller lieber selber und vor allem rasch genug, ehe Daniel noch weiter herumsäuseln konnte.
Überhaupt schien er ihr reichlich gefasst zu sein. Wenn man die Tatsache bedachte, dass er vor kurzem von seiner Ehefrau verlassen und im Baumhaus gelandet war!
„Simon Sternthaler“, sagte Daniels Begleiter, „ich freue mich, Sie kennenzulernen, Frau Bergen.“
„Wie stehen die Womanizer-Aktien?“ meldete sich jetzt Daniel erneut zu Wort, „Sie haben sich doch hoffentlich dafür entschieden, Camilla? Oder bleibt Ihnen neben Ihrer Arbeit hier keine Zeit mehr für derartige Aufträge?“
Der Mann namens Simon, der klein, untersetzt und mit Halbglatze gesegnet war, blickte mit treuen Dackelaugen von Daniel zu Camilla und zurück.
Ein großes Fragezeichen schien über seinem Kopf in der Luft zu schweben. Dazu eine Sprechblase -
Was geht hier eigentlich vor,
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