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Kornmond und Dattelwein

Titel: Kornmond und Dattelwein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Mackey
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Ziegen? Eine so gewaltige Menschenmenge ließ sich kaum verbergen. Oder vielleicht doch? Inanna wußte nicht mehr weiter. Offenbar war das sicherste und beste, was sie tun konnte, einfach abzuwarten, bis die Nomaden vor die Stadt gezogen waren und sie dann an den Wällen abzuwehren. Aber damit war ihr jegliches Überraschungsmoment aus der Hand genommen. Pulal konnte ihr dann entgehen; weitere Stämme konnten heranrücken und seine Streitmacht verstärken. Wenn die Gefangenen nicht gelogen hatten, mußte sie rasch handeln. Aber auf der anderen Seite ... Verflucht und verdammt! Es war unmöglich, eine Entscheidung zu treffen, und doch hing alles von ihr ab. Was sollte sie nur tun?
    Inanna lief unruhig in dem Garten auf und ab und setzte sich dann wieder auf die Bank. Sie brach eine Jasminblüte ab, zupfte die Blätter und verstreute sie auf dem Wasser. Die Blütenblätter trieben an der Oberfläche dahin. Inannas Gedanken begannen sich zu drehen und kehrten doch wieder an den Ursprung zurück. Sie stand an der Bank, starrte gedankenverloren auf den gerupften Jasminzweig und wünschte sich endlich, die alte Königin würde noch leben. Was hätte sie an ihrer Stelle getan? Niemanden konnte sie um Rat fragen, nicht einmal Seb. Dieses Problem mußte sie ganz allein lösen.
    Sie atmete tief durch und fing noch einmal ganz von vorn an. War Pulal mit drei Stämmen gekommen oder mit fünfzig? In den Bergen herrschte immer noch Winter, und die Schwarzköpfigen hielten sich stets so weit wie möglich vom Schnee fern. Zu dieser Jahreszeit konnte er kaum mehr als einige wenige Stämme dazu überredet haben, ihm über die verschneiten Pässe zu folgen. Aber warum war er dann überhaupt gekommen? Warum hatte er nicht bis zum Sommer gewartet? Vielleicht glaubte er, die Stadt sei aufgrund der Seuche ohnehin verteidigungsunfähig oder aber zumindest die Armee läge darnieder und sei kaum mehr der Rede wert. Vielleicht dachte er wirklich, jetzt ließen sich die Mauern ohne größeren Widerstand überwinden. Doch wie sollte Inanna hier Sicherheit erhalten?
    Verflucht war alles! Ihr blieb im Grunde gar keine Wahl. Sie mußte eben abwarten, immer wieder Kundschafter aussenden und es halt darauf ankommen lassen, daß Pulal in aller Ruhe vor die Stadt ziehen konnte. Sie konnte doch nicht die ganze Armee auf eine bloße Vermutung hin aufs Spiel setzen. Ihr blieb nichts anderes übrig, als hier untätig herumzusitzen und darauf zu hoffen, einmal verläßlichere Nachricht zu erhalten. Und selbst dann war die Gefahr nicht ausgeschlossen, daß die Magurs in einen Hinterhalt liefen.
    Inanna saß auf der Bank, bis der Himmel rosafarben wurde und die Vögel ihren Morgengesang anstimmten. Sie hatte den Eindruck, als würden sich die Mächte des Schicksals um sie herum drehen. Ihr stand mehr als nur ein Gefecht gegen Pulal bevor. Aus irgendeinem Grund, den sie nicht verstand, bahnte sich etwas ungeheuer
    Wichtiges an. Und dennoch lief alles darauf hinaus, daß sie diejenige war, die letztendlich die Entscheidung zu treffen hatte. Sie trat an die Mauer am Rand des Gartens und sah nach Osten. Nebel stieg von den Feldern und hüllte das Vorgebirge ein. Was machte Pulal wohl gerade? Dachte er nach und schmiedete Pläne? Hatte er in dieser Nacht geschlafen, oder hatte er sich eine besonders pfiffige Taktik ausgedacht?
    Inanna begriff, daß die Zeit ihres Nachdenkens abgelaufen war. Sie eilte in die Große Halle und bestellte die besten Kundschafter zu sich. »Haltet Ausschau nach Anzeichen einer riesigen Heerschar«, erklärte sie ihnen. »Seht euch um, ob ihr irgendwo Zelte, Tierherden, Rauch, Staubwolken oder heimlich angelegte Lager entdeckt.« Und eine Woche lang kehrten die Kundschafter regelmäßig von ihren Auszügen zurück und berichteten stets das gleiche: Nirgendwo war eine große Heerschar, die Berge waren leer, und ihr stand alles frei zu tun.
     

VII
    Vierzig Magurs, jedes mit einem eigenen Banner, fast zweieinhalbtausend Soldaten, durchtrainiert und in voller Rüstung. Männer und Frauen, Seite an Seite, ein Wald aus Speeren und ein unüberwindlicher Schildwall. In der dritten Woche des Weidenmonds, acht Tage nach der Schlacht am Olivenhain, führte Inanna die Armee zu den Toren der Stadt hinaus. Zum erstenmal seit der Seuche säumten die Menschen die Straßen, standen auf den Wällen und überschütteten die Soldaten mit einem Blütenregen. Es war ein strahlend schöner Tag, und der Fluß floß ruhig und hoch. Mütter hoben ihre kleinen

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