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Kornmond und Dattelwein

Titel: Kornmond und Dattelwein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Mackey
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Gerüchte?«
    Woher kannte Sellaki den Namen ihres Volkes? Woher wußte sie, was sich in den Zeltlagern tat? Das Brot in Inannas Kehle wurde unangenehm trocken, und sie hatte einige Mühe mit dem Schlucken. »Was soll stimmen?« brachte sie endlich hervor.
    Sellaki schob sich ein weiteres Stück Fleisch in den Mund und nahm sich dann etliche Oliven aus einem kleinen Tonkrug. »Wie wir gehört haben, versammeln sich die Stämme deines Volks unter einem Anführer. Die Händler haben uns erzählt, daß in diesem Jahr an jenem Vulkan von euch ...« Kur! Dann kannte sie also auch Kur! »Die Händler haben uns erzählt, daß in diesem Jahr im großen Lager ein Häuptling aufgetreten ist, der die anderen für seinen Plan zu gewinnen versuchte, mit vereinten Kräften über das Tal herzufallen. Anscheinend hat ihm jemand irgendwelche Geschichten über eine Stadt voller Gold erzählt, die hier stehen soll . ..«
    Inanna fuhr zusammen. Wie hatten die Händler diese Neuigkeiten so rasch weitertragen können, wenn sie selbst doch Monate gebraucht hatte, um die gleiche Reise zu tun?
    »Ich habe der Königin schon gesagt, daß wir im nächsten Frühjahr mit Ärger rechnen dürfen«, sagte Sellaki gerade, »obwohl ich befürchte, sie hat mir gar nicht richtig zugehört.«
    »Mutter«, sagte Lyra leise, »wenn die Nomaden kommen, sind wir bereit für sie.«
    »Da habe ich meine Zweifel«, sagte Sellaki und schlug den Kelch auf den Tisch. »Die Armee hat ihre volle Stärke noch lange nicht erreicht, und auch mit der Disziplin hapert es deutlich. Zu meiner Zeit ...«
    »Die Schwarzköpfigen kommen hierher?« fragte Inanna. Im gleichen Augenblick wurde ihr klar, daß sie etwas Falsches gesagt hatte. Sie hätte Sellaki nicht so direkt unterbrechen dürfen.
    Die Alte sah sie an und lächelte. Die Spannung am Tisch verging. »Wenn der Häuptling deines Volks seine Armee zusammenbekommt, rücken sie vielleicht an«, sagte sie, und spielte mit dem Brot auf ihrem Teller. »Ein häßlicher Bursche soll er sein, haben die Händler erzählt. Eine große Narbe soll sein Gesicht verunstalten.«
    »Eine Narbe geformt wie eine Schlange?« Inanna wußte, wer zum großen Lager am Kur gekommen war und von einer Stadt voller Gold erzählt hatte.
    »Ja, genau so haben die Händler ihn beschrieben«, sagte Sellaki. »Sie erzählten, dieser Häuptling habe eine große, schlangenförmige Narbe im Gesicht. Und jedermann würde ihn hinter seinem Rücken ›Hyäne‹ nennen. Kennst du ihn etwa?«
    Inanna zitterte am ganzen Körper. Pulal war schlimmer als eine Hyäne. Er war ein Blutsäufer, ein ... ein mörderischer Teufel, der... Aber was dachte sie denn da? Sie saß hier inmitten von Fremden, und wenn die erfuhren, daß sie Pulals Schwester war . Er war auch Inannas Feind, aber würden sie ihr das glauben? Ein Kreis von neugierigen Gesichtern starrte sie an und wartete auf eine Antwort. Inanna nahm eine Olive und zwang sich dazu, sie mit vorgetäuschter Gleichmut zu kauen.
    »Gewissermaßen kenne ich ihn«, sagte sie endlich, und ihre Stimme klang ganz ruhig. Sie würden von ihrem inneren Aufruhr nichts mitbekommen, aber sie mußte dennoch dafür sorgen, daß das Thema gewechselt wurde. »Ich glaube, ich habe deinen Gatten noch nicht kennengelernt«, sagte sie und nickte höflich einem älteren Mann zu, der zur Linken von Lyra saß.
    Der Mann grinste sie nur an, und der ganze Tisch brach in schallendes Gelächter aus. »Das ist nicht mein Gatte«, dröhnte Sellaki und hätte sich fast verschluckt, »sondern mein Bruder Zend. Die Männer hier ziehen es vor, im Haus ihrer Mutter zu bleiben.« Ihr breites Gesicht verfärbte sich purpurrot, und eine Frau klopfte ihr fest auf den Rücken.
    »Meine Mutter hat die meisten Kinder von Händlern bekommen«, erklärte Lyra. »Mein Vater, so sagt sie jedenfalls, soll ein schwarzhäutiger Mann aus dem Westen gewesen sein, während Sebs Vater . . .«
    »Ein blauäugiger, blonder Teufelskerl von einem Mann war«, unterbrach Sellaki, nachdem sie wieder zu Atem gekommen war. »Die Abwechslung macht mir die meiste Freude, und die Göttinnen haben mich da mit einem ziemlich bunten Strauß bedacht.« Die alte Frau lächelte ihre Kinder und Enkel an, und diese lächelten zurück. »Nun soll das nicht heißen, daß es hier keine Frauen gibt, die sich einen Gatten zulegen«, erklärte sie und wurde kurz etwas ernster, »aber das ist nicht die Regel. Und manche leben ohne Frau oder Mann, wie unser Seb hier, der schon im Alter von

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