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Kornmond und Dattelwein

Titel: Kornmond und Dattelwein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Mackey
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glatte Stricke lagen in dem Gefäß. Sie bewegten sich und glitten unter-und übereinander. Einer hob das Haupt und sah Inanna mit kalten, nichtmenschlichen Augen an.
    »Ich habe eine Botschaft für dich, Inanna von Kur.«
    Inanna hielt mit einem Auge die Schlange im Blick und bemühte sich, selbstsicher zu wirken. »Dann sage sie mir.«
    »Sie wird dir nicht gefallen.«
    »Das kann ich wohl selbst entscheiden.«
    186 So etwas wie Befriedigung huschte über die Miene der Hohepriesterin. »Aber vergiß nie, daß du diejenige gewesen bist, die gefragt hat.« Rheti schob eine Hand in den Korb, mitten unter die Schlangen. Plötzlich ein Stoß, so rasch, daß Inanna ihm kaum folgen konnte, und Rheti zog die Hand wieder heraus und hielt sie ins Licht. Blut rann über ihren Unterarm. Sie versteifte sich. Ihre Augen verschwanden in den Höhlen, und sie würgte tief im Hals. »In kurzer Zeit wird die Hohepriesterin zu uns sprechen«, erklärte der Eunuch gelassen.
    »Aber sie hat sich selbst den Tod gebracht. Niemand, der so oft von Schlangen gebissen wurde, kann das überleben.«
    Der Eunuch leckte sich über die bemalten Lippen und schüttelte den Kopf. »Wartet es nur ab.«
    Sie warteten, bis die Fackel zu einem schwalkenden Stumpf herabgebrannt war, und lauschten Rhetis angestrengter Atmung. Dann begann sie zu sprechen, ohne dabei die Augen zu öffnen. Vielleicht gab sie aber auch nur Geräusche von sich. Für Inanna ergaben die Töne keinen Sinn. Tierartige, unverständliche Laute.
    »Die Hohepriesterin spricht die Alte Sprache«, erklärte der Eunuch stolz. »Die Sprache der ersten Mütter.«
    »Was sagt sie denn?«
    Der Eunuch legte einen knochigen Finger auf die Lippen und bedeutete Inanna zu schweigen. »Sie betet zu Hut.«
    Endlos lange ertönten diese Laute; monoton und guttural. Endlich öffnete Rheti die Augen und zeigte auf Inanna.
Lave na pollu tah ved ah mok...«
    »Die Priesterin sagt, du willst Königin werden und deinen Bruder umbringen«, übersetzte der Eunuch. Er packte sie am Ärmel und hielt sie zurück. »Wartet, Muna, es kommt noch mehr.«
    »Sie ist wahnsinnig!« Düstere Schatten glitten über die Wände und blieben bedrohlich unter der Decke hängen. Die Fackel in der Hand des Eunuchen zitterte. »Ich wollte noch nie Königin werden!« Aber noch während sie diese Worte ausstieß, wußte sie, daß die Hohepriesterin die Wahrheit gesprochen hatte. Selbstverständlich wollte sie Königin werden, wollte die Armee reorganisieren, in die Berge marschieren und Pulal töten. Rheti hatte sie an ihrem wunden Punkt getroffen.
    Der Eunuch hustete und wischte den Qualm beiseite. »Die Hohepriesterin sagt, du mußt zwei Dinge tun, um deine Wünsche erfüllt zu bekommen.«
    »Und was muß ich tun?«
    Er schien zu zögern.
    »Sag es mir.«
    »Die Priesterin sagt, um Königin zu werden, mußt du... nichts tun.«
    »Nichts?« Das ergab wenig Sinn. »Und das zweite?« Auf dem Boden der Höhle schwankte Rheti in rhythmischen Bewegungen und wiederholte wieder und wieder denselben Satz. Der Eunuch verdrehte die Augen und wischte sich über den Mund.
    »Die Priesterin sagt, um deinen Bruder zu töten ...« Er hielt inne, so als bereitete es ihm zu große Angst, den Satz zu beenden. »Was habe ich zu tun?«
    »Du mußt deine Tochter Hut geben.«
    Im ersten Moment verstand Inanna ihn nicht, aber dann wurde ihr schlagartig klar, was Rheti da von ihr verlangte: das Leben von Alna.
    »Nein!«
    Das Wort hallte von den Steinwänden und vom langen Gang wider. Inanna ballte die Fäuste so hart, daß die Nägel sich ins Fleisch gruben. Sie war so wütend, daß sie kein Wort mehr hervorbringen konnte und Rheti am liebsten auf der Stelle umgebracht hätte, wenn sie nur eine Waffe in der Hand gehabt hätte. Aber irgend etwas hielt sie davor zurück. »Sag ihr ...« Die Worte verklumpten ihr in der Kehle. Sie zeigte auf Rheti, die verkrümmt auf dem Boden lag und Unzusammenhängendes murmelte.
    »Erklär deiner Hohepriesterin, daß ich sie auf der Stelle umbringe, sollte sie meiner Tochter auch nur ein Haar krümmen. Na los, sag ihr das!«
    Der Eunuch schüttelte traurig den Kopf. »Die Priesterin sagt, daß Ihr Euer Schicksal nicht bestimmen könnt. Sie hat Euch nur erzählt, was sie im Korb der Zukunft gesehen hat. Und sie sagt weiter, daß Ihr selbst es sein werdet, die Euren eigenen Soldaten befehlt, Eure Tochter zu Hut zu bringen, nachdem Ihr Königin geworden seid. Ferner erklärt die Hohepriesterin ...«
    » Möge deine

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