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Kornmond und Dattelwein

Titel: Kornmond und Dattelwein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Mackey
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neuen Weizen zu füttern. Aber dann kam Rheti und hat alles verändert.«
    Inanna hätte nie erwartet, so viele Worte hintereinander von Seb zu hören. »Warum? Was ist denn geschehen?«
    Seb zuckte die Achseln. »So ganz genau weiß ich das auch nicht. Wie berichtet wird, war Rheti für über ein Jahr verschwunden. Ich war damals noch ein Kind und habe nur am Rande mitbekommen, was meine Mutter und ihre Freunde sich erzählten: Die Hohepriesterin sei nach Osten oder Norden gegangen und habe dort fremdartige Menschen mit gelben Haaren getroffen, die auf dem Rücken von riesigen Tieren mit steinernen Füßen geritten sind.«
    »Riesige Tiere mit Füßen aus Stein?«
    »In einem Land, das so groß war wie der Himmel und nur aus Gras bestand.« »Hört sich an wie ein Land aus einem Traum.« »Ob es nun ein Traum war oder nicht, Rheti glaubte fest daran. Nach ihrer Rückkehr verkündete sie, die Menschen mit den goldenen Haaren hätten sie mit besonderen Fähigkeiten ausgestattet. Sie behauptete, durch die Luft geflogen zu sein und sich mit den Geistern der Toten unterhalten zu haben. Und sie erklärte, die Menschen dort hätten ihr einen großen Umbruch prophezeit.« »Was denn für ein Umbruch?«
    »Das wollte Rheti nicht näher erläutern.«
    »Und die Königin hat sich das alles gefallen lassen?«
    »Nein, sie hat etwas unternommen, aber das wurde ein großer Fehlschlag.«
    »Was hat sie denn unternommen?« Warum konnte Seb nicht die ganze Geschichte in einem fort erzählen? Sie wurde noch wahnsinnig darüber, nur Stückchen für Stückchen serviert zu bekommen.
    »Sie traf Vorbereitungen, Rheti zu ermorden. In der Nacht vor dem Anschlag, hielt die Königin in ihren Gemächern ein Bankett ab. Am nächsten Morgen waren alle Gäste tot, darunter auch die sechs vorgesehenen Mörder. Nur die Königin überlebte die Nacht, und seitdem ist sie nie wieder ganz die alte gewesen. Die Hohepriesterin hingegen erklärte, dies sei ein Fluch von Hut gewesen.« »Hört sich für mich mehr nach Gift an.«
    »Wahrscheinlich war es wohl auch so, aber die Bevölkerung hatte von Stund an Angst. Am nächsten Tag stürmte Rheti auf den Markt und schrie, die gelbhaarigen Menschen hätten ihr erklärt, Hut und Lanla lägen miteinander im Krieg und sie habe sich für die Sache von Hut entschieden. Es kam zu einem Aufruhr. Einige Stände wurden dabei geplündert oder in Brand gesteckt. Lyra wollte die Armee aussenden, um die Unruhen zu beenden, aber die Königin hielt sie zurück. Schließlich kam der Aufruhr von allein zum Erliegen, und die Menschen gingen wieder nach Hause.«
    »Und was geschah dann?«
    »Die Königin gebot Rheti, den Tempelbezirk nicht mehr zu verlassen, und verbot ihr, jemals wieder in der Öffentlichkeit aufzutreten. Aber auch das nutzte wenig. Die neue, teuflische Art der Hut-Verehrung wuchs immer stärker unter den Menschen in der Stadt. Im geheimen wurden Menschenopfer dargebracht, und immer wieder verschwanden Kinder. Am Schluß verkündete die Königin, daß im Falle eines Krieges zwischen Hut und Lanla nur die letztere von der Stadt verehrt werden dürfe. Und dies, solange sie Königin sei.
    »Also hat Rheti doch den Sieg davongetragen. Die beiden Seiten eurer Göttin wurden getrennt.«
    »Ja.« Seb ließ sich auf einen Stuhl fallen, legte die Hände auf den Tisch und spielte gedankenverloren mit dem leeren Bierkrug. »Und was wird deiner Meinung nach als nächstes geschehen?« Seine blauen Augen waren klar und frei von Angst. »Neuer Ärger.«
     
    Nachdem der Tisch abgeräumt war, machten sich Inannas Frauen rasch und unaufdringlich an die Hausarbeit. Andere wuschen ihr die Füße in leicht aromatisiertem Rosenwasser, kämmten ihr das Haar aus und kleideten sie in ein Nachtgewand aus Leinen. Inanna hieß wie ein Kind widerstandslos alles mit sich geschehen, war froh darum, umsorgt zu werden, und dachte lange Zeit an gar nichts. Das Leinengewand roch matt nach Jasmin, und das Gefühl des Stoffes auf der Haut war überaus angenehm. Das Jasmin erinnerte sie an Ev und seine wohlduftenden Öle am ersten Tag ihrer Ankunft in der Stadt. Wie lange war das schon her? Wieviel Zeit hatte sie hier unnütz vertan? Ihr ganzer Körper schmerzte, als hätte sie die lange Wanderung über die Berge noch einmal durchgemacht. Alles, was sie jetzt noch wollte, war lange und ruhig schlafen und das vergessen, was Seb ihr erzählt hatte.
    »Hier bitte.« Seb reichte ihr Alna. Das Baby war in frische Leinentücher gewickelt und hatte

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