Korona
von sich. Sie kamen an eine Stelle, an der vor kurzem ein Blitz in den Boden geschlagen war. Die Erde war zu einem kleinen Trichter verformt, um den das Laub in einem Umkreis von mehreren Metern verbrannt war. Graue Asche bedeckte den Boden. Qualm stieg aus der Öffnung und tief unten, am Boden des Kraters, bemerkte Ray eine gelblich krümelige Substanz. Er ging in die Hocke und berührte die Stelle mit seinen Fingern. Sie war warm und glänzte.
Ray nahm einen Stock und wühlte damit im Erdreich. Je tiefer er kam, desto schwieriger wurde es. Der Boden war knochentrocken. Immer mehr von den metallischen Rückständen traten zutage. Das Erdreich war geradezu durchsetzt davon. K’baa beobachtete all das mit großer Aufmerksamkeit. Als Ray ein fingernagelgroßes Stück dieser Substanz auf seiner Handfläche hielt, deutete der Affe darauf und stieß einen Laut aus, der wie
»Or«
klang.
»Or?
Interessant. In unserer Sprache gibt es ein ähnliches Wort dafür. Ich glaube, so langsam kommen wir der Ursache für die Störung auf den Grund.« Ray öffnete seine Kräutertasche und legte die Probe hinein. Dann verschloss er sie sorgfältig wieder. »Komm, mein Freund.«
Er stand auf und klopfte sich die Asche von der Hose. »Lass uns schauen, ob wir noch mehr finden.«
Nur wenige Minuten später erreichten Ray und der Gorilla das Halbrund aus Ruinen, das die schwarze Pyramide umgab. K’baa ließ sein Amulett nicht aus der Hand. Ray konnte sehen, dass er sich fürchtete. Für sein Volk war dieser Platz ein Ort, der mit unsäglichen Qualen behaftet war. Eine Wunde zwischen den Welten, die niemals heilte.
Ray umrundete die Pyramide. Nichts schien sich verändert zu haben. Das Gebäude war immer noch so, wie er es verlassen hatte. Er ging ein paar Meter ins Innere, da er aber keine Fackel oder Lampe dabeihatte, kam er nicht weit. Um ehrlich zu sein, er war nicht scharf darauf, das düstere Gebäude allein zu betreten, und K’baa wäre ihm um nichts in der Welt gefolgt. Die Blicke, die er der Pyramide zuwarf, waren alles andere als freundlich.
»Tja«, sagte er. »Scheint alles so zu sein, wie wir es verlassen haben. Lass uns trotzdem die Umgebung noch ein wenig absuchen. Ich möchte mir die Statue ansehen und schauen, ob das Messer noch da ist.« K’baa folgte ihm widerwillig.
Keine fünf Minuten später erreichten sie den Rundbogen. Mittlerweile kannte Ray den Weg so gut, dass er ihn mit verbundenen Augen gefunden hätte. K’baa blieb plötzlich stehen. Er weigerte sich, auch nur einen Schritt weiter in Richtung der Statue zu gehen. Er verschränkte die Arme und gab ein angewidertes Grunzen von sich.
»Na gut, du kannst hier warten, wenn du nicht willst«, sagte Ray. »Ich gehe nur schnell rüber und überprüfe etwas. Ich habe zwar keine große Hoffnung, dass ich etwas finden werde, aber wir wären nicht so weit gegangen, wenn wir nicht alle Möglichkeiten ausschöpfen wollten, habe ich recht?« K’baa wandte sich ab.
Ray kletterte über einen umgestürzten Mauerrest und betrat den verwunschenen Garten. Die Statue sah aus wie eh und je. Selbst bei Tageslicht verströmte sie eine Aura des Bösen. Er konnte verstehen, warum sein Freund ihm nicht folgen wollte.
Ray umrundete die Skulptur und sah ein metallisches Funkeln. Das Messer war immer noch genau da, wo Karl es nach ihrer Ankunft abgelegt hatte. Rays Hoffnung schwand. Wie hatte er ernsthaft annehmen können, dass dieser Plan funktionieren würde?
Er kletterte auf eine umgestürzte Säule und wollte gerade nach seiner Klinge greifen, als seine Hand in der Bewegung gefror.
Das war nicht sein Messer.
Es war eine metallisch glänzende längliche Schachtel.
Ein Brillenetui!
Seine Finger zitterten, als er nach dem Gehäuse griff und den Deckel aufklappte. Ein Zettel lag darin, sorgfältig geknickt und gefaltet. Das Papier war merkwürdig vergilbt, so als habe es wochenlang in der Sonne gelegen. Mit allergrößter Vorsicht zog Ray es heraus. Er hatte Angst, es könne ihm unter den Fingern zerbröckeln, so alt schien das Material.
Er faltete den Zettel auseinander und begann, die Zeilen mit bebenden Lippen zu überfliegen.
»Das ist es«, flüsterte er.
»Das ist die Antwort.«
60
A my beschirmte ihre Augen gegen das grelle Morgenlicht. Im Norden von Kitara ragten zwei düstere Obelisken auf. Pockennarbig und von Flechten überwuchert, waren sie wie der Eingang zu einem versunkenen Reich. Dahinter rückten die Häuser so eng zusammen, dass es den Anschein
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