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Korona

Korona

Titel: Korona Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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schwitzend und keuchend durch die Menge eilten. In der Sänfte saß ein unglaublich dicker Mann. Er war in wallende rote Tücher gehüllt und trug eine turmartig aussehende Haube auf dem Kopf. In seiner Hand hielt er eine Peitsche, die wahlweise auf seine Träger und auf die Passanten niedersauste. Als die Sänfte am Tor ankam, hielten die Träger an. Der fette Mann rief den Wachen einen Befehl zu, die daraufhin umgehend die Türflügel öffneten.
    Amy und Dan wichen ein Stück zurück. Die Sänfte wurde hereingetragen und abgesetzt. Keuchend und schwitzend hielten die Männer ihre Köpfe gesenkt. Amy sah, dass ihre Rücken von Peitschenhieben gezeichnet waren. Einer von ihnen klappte eine Treppe aus, über die der fette Würdenträger zur Anlegestelle herabschritt.
    Amy nahm den Neuankömmling näher in Augenschein. Sein Körper war über und über mit Goldschmuck behängt. Goldene Ringe, goldene Armreifen, goldene Ketten. In den Ohren steckten Münzen, an den Nasenflügeln hingen in Gold gefasste Gemmen und um den Hals trug er Bänder, die im Licht der Morgensonne funkelten. An jedem seiner zehn Wurstfinger prangte ein kostbar aussehender Ring.
    Beim Näherkommen schleifte sein rotes Gewand über den schmutzigen Kai. Als er bei ihnen eintraf, blieb er stehen, musterte sie von oben bis unten und deutete dann eine Verbeugung an. »Wanderer, die Ihr gekommen seid über weites Meer – willkommen.« Die Glieder seiner Kette klingelten erwartungsvoll.
    Amy war für einen Moment sprachlos. Sie hatte mit allem gerechnet, aber nicht damit, in ihrer Muttersprache angesprochen zu werden.
    »Sie … Sie sprechen unsere Sprache?«
    Seine wulstigen Lippen zeigten ein feines Lächeln. »Natürlich. Ich bin … Botschafter.« Der Mann legte seine Hände auf die Brust. »Mein Name ist Oyo Nyimba, zweiter Marschall Ihrer Majestät, der Kaiserin Maskal Kibra Lalibela.« Er lächelte und ließ dabei eine Reihe von Goldzähnen funkeln.
    Die Worte waren gut verständlich, wenn auch mit einer merkwürdigen Intonation gesprochen. Seine Stimme war sehr hoch für solch einen massigen Körper.
    Vielleicht ein Eunuch.
    »Sehr angenehm«, erwiderte Amy. »Mein Name ist …«
    »Nein!« Der Botschafter hob seine Hand. »In unserem Land ist es streng verboten, die Namen von
Wanderern
zu erfahren. Nennen Sie mich Oyo, das genügt.«
    Dan runzelte die Stirn. »Wie kommt es, dass Sie unsere Sprache sprechen?«
    Oyo hob verblüfft die Brauen. »Die Sprache der Wanderer ist eine heilige Sprache. Sie wird nur von wenigen Auserwählten gesprochen. Ich gehöre der Bruderschaft der
Zungen
an.«
    »Der Zungen?«
    »Ihr Wanderer sprecht viele Sprachen«, sagte der Mann. »Wir Zungen sind … wie soll ich sagen … Mittler zwischen den Welten –
Übersetzer.
Ich freue mich, Sie bei uns begrüßen zu dürfen. Es ist mir eine Ehre.« Wieder verbeugte er sich. »Wenn Sie nichts dagegen haben, werde ich Sie jetzt zum Palast bringen. Sie werden erwartet.«
    Amy hob ihr Kinn. »Erwartet? Von wem?«
    »Von Ihrer kaiserlichen Majestät, der Bewahrerin der Traditionen von
Za-Ilmak’un.
Der Herrscherin über Unter- und Oberkitara. In ihrem Antlitz sind wir nur Staub.« Er berührte Stirn und Mund mit den Fingern, dann trat er an die Sänfte und öffnete ihnen den Verschlag. Auf seinen wulstigen Lippen erschien ein Lächeln, das eine Reihe zugespitzter Zähne entblößte.

59
    D ie Sonne war soeben hinter einer niedrig stehenden Wolkenbank aufgegangen, als Ray und K’baa ihren Fuß auf die Insel setzten, auf der sie sich zum ersten Mal begegnet waren. Das morgendliche Licht zauberte einen spektakulären Regenbogen in den Himmel, ein letzter Nachgeschmack des gestrigen Unwetters. Irgendwo vor ihnen versteckt im Wald musste die Pyramide liegen, durch die die fünf Wissenschaftler diese Welt betreten hatten.
    Ray und K’baa vertäuten das kleine Schiff an einem niedrig hängenden Ast, nahmen Proviant und Waffen mit und marschierten los.
    Der Wald dampfte vor Feuchtigkeit. Nebelschwaden stiegen geisterhaft aus dem Boden. Überall tropfte es von den Bäumen. Der Boden war schwer und aufgeweicht. Während Rays Hemd schon nach wenigen Minuten am Leib klebte, perlte das Wasser an dem fettigen Fell des Gorillas einfach ab. Die Luft war schwül und wurde mit jeder Minute schwüler. Schon stiegen Myriaden winziger hellblauer Falter in die Luft, die im Licht der Morgensonne zu tanzen anfingen.
    Ray bemerkte, dass sein Begleiter unruhig wurde. K’baa war die Gegend

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