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Korona

Korona

Titel: Korona Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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schleierhaft.
    »Wirklich alles klar bei dir?« Ihr Lächeln war einfach nur zauberhaft.
    »Alles klar, ganz bestimmt. Es geht mir gut, ich bin nur noch etwas müde.«
    »Kein Wunder, so wie du geschnarcht hast.«
    »Ehrlich? Das tut mir leid.«
    »Muss dir nicht peinlich sein«, sagte sie. »Ich beneide Menschen, die einfach an Ort und Stelle einschlafen können.«
    Er zuckte die Schultern. »Das war noch nie mein Problem.«
    »Und, wie gefällt dir unser Team? Hast du dich schon eingelebt?«
    Er nickte. »Die Leute sind okay. Ich finde nur, dass manche von ihnen sich ein bisschen zu wichtig nehmen. Es geht immer nur um Arbeit und Karriere. Vielleicht ist das der Grund, warum es mich mehr zu Leuten wie Zabu zieht.«
    »Was ist denn an denen so anders?«
    »Ach, ich weiß auch nicht. Ihre Nöte und Sorgen sind für mich einfach nachvollziehbarer, verstehst du? Da geht es um die Gesundheit ihrer Kinder, um familiäre Angelegenheiten, um Liebe, Tod und das tägliche Überleben. Es ist einfach
echter,
verstehst du?«
    »Da muss ich dir recht geben.« Mellie war eine der wenigen, die ab und zu mal bei den Hilfskräften vorbeischauten, ein Schwätzchen hielten und mit anpackten. Ob sie das schon immer getan hatte oder erst seit er hier war, wusste er nicht. Tatsache war jedoch, dass sie ihm auffällig oft Gesellschaft leistete. Sehr zum Leidwesen von Daniel Skotak, dem Geologen im Team.
    Ray blickte durch die Heckscheibe zum hinteren Fahrzeug. Das Gesicht des Geologen wirkte grau und übellaunig. Ray fragte sich, was einen Snob wie Dan wohl in die Virungas verschlagen hatte. Er trug einen schmalen Oberlippenbart, der wohl irgendwie an Robert Downey jr. erinnern sollte, und lange schwarze Haare, die er mit einem Goldreif hinter seinem Kopf verknotet hatte. Seine Finger waren mit Silberringen übersät, die mit seinem schwarzen Outfit kontrastierten. Richard hatte ihm einiges über ihn erzählt. Dan war eines dieser sozial unangepassten Wunderkinder, die sich darin gefielen, als Zyniker durchs Leben zu laufen und Progressive Rock auf ihrem iPod zu hören. Niemand, mit dem man wirklich eng befreundet sein konnte. Skotak war ein stiller Zeitgenosse, der lieber stumm litt, als mit jemandem über seine Gefühle zu reden. Typen wie ihn gab es zuhauf an den Universitäten. Ray kannte sie noch aus seiner eigenen Studienzeit. Kinder aus gutem Hause, einen Berg an hochgesteckten Erwartungen auf ihren Schultern lastend. Man erkannte sie an dem stechenden Blick und dem verkniffenen Zug um den Mund.
    Ray konnte sehen, wie sehr es Dan fuchste, dass Mellie nur Augen für ihn hatte. Nun, das war nicht sein Problem. Es wunderte ihn jedoch, dass Amy ausgerechnet die beiden mit auf diesen Trip genommen hatte. Es konnte ihr doch nicht entgangen sein, wie sehr Dan hinter Mellie her war. Ihr musste klar sein, welche Spannungen sie mit dieser Konstellation heraufbeschwor.
    »Sieh mal«, sagte Mellie und deutete auf ein weiteres Wolkenloch vor ihnen. »Scheint, als würden wir in besseres Wetter fahren.«
    Ein weiterer Gipfel schob sein Haupt vor den tiefblauen Himmel und warf sein Licht mit gleißender Helligkeit zurück. »Wow, sieh dir das an. Ist das nicht ein wahnsinniger Anblick?« Sie rutschte nach vorn und tippte Amy auf die Schulter. »Ist das der
Sella?
«
    Die Biologin warf einen kurzen Blick nach oben. »Nein«, sagte sie. »Der
Weismann.
Sieh dir die Spitze an. Sie ist wie eine kleine Pyramide geformt. Wir sind fast am Ziel.« Sie wandte sich an Ray. »Falls Sie das interessiert: Der Berg ist viertausendfünfhundert Meter hoch und benannt nach dem Biologen August Weismann, dem berühmtesten Evolutionstheoretiker nach Richard Darwin. Unser Camp liegt an der Südflanke der
Luigi-di-Savoia-
Berggruppe. Dort drüben, sehen Sie?«
    Ray nickte. Ihm fiel auf, dass Amy ihn als Einzige im Team immer noch siezte. Selbst Richard war irgendwann zum vertrauten Du übergegangen. Ihre beharrliche Weigerung, ihm das Du anzubieten, ließ keinen Zweifel daran, dass sie immer noch nicht aufgehört hatte, ihm zu misstrauen. Man tat besser daran, bei ihr auf der Hut zu sein.
    Sie deutete auf den dichten Bergwald, aus dem geisterhafte Nebelschwaden aufstiegen. »Das ist unser Zielgebiet«, erläuterte sie. »Ziemlich unwegsames Gelände. Das gesamte Gebiet wird von einer Steinmauer umgeben. Wir werden also zu Fuß da hoch müssen.«
    »Soll mir recht sein.«
    Mellie wühlte in ihrem Rucksack herum und förderte eine Packung Zigaretten zutage. »Stört es

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