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Korona

Korona

Titel: Korona Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Steinzeit.« Er senkte die Stimme. »Wenn man den Menschen Angst macht oder sie einsperrt, kann man sie dazu bringen, alles zu tun. Sie werden sich jedem zuwenden, der ihnen eine Lösung verspricht, und sei es nur ein Drogenhändler.«
    »Die Welt als Haifischbecken ohne jede Ethik und Moral? Ich weiß nicht …«
    »Was erwarten Sie?«, sagte Ray. »Nur weil wir in geordneten Verhältnissen leben, können wir uns Dinge wie Ethik und Moral leisten. Nehmen Sie den Menschen ihre zivilisationsbedingten Annehmlichkeiten und sie werden ganz schnell wieder auf den harten Boden der Realität zurückfallen. Eine Realität, die nur aus Fressen und Gefressenwerden besteht. Glauben Sie mir, ich habe es erlebt.«
    Ein unangenehmes Schweigen breitete sich aus.
    Als er seinen Kopf hob, bemerkte er etwas Fremdes in Mellies Augen. War es Furcht? War es Abscheu oder Mitleid? Oder blickte er einfach nur auf die Scherben einer romantischen Vorstellung? Vielleicht eine Mischung aus allem. Ihr Lächeln war jedenfalls verschwunden. Stumm zog sie ein letztes Mal an ihrer Zigarette, dann schnippte sie die Kippe durchs offene Fenster.
    Für einen kurzen Moment tat sie ihm leid. Er hatte nicht vorgehabt, sie zu schockieren. Er wollte nur nicht, dass sie ihr Herz an einen wie ihn verschleuderte.
    Wie es schien, war ihm das gründlich gelungen.
    Er schaute nach vorn und bemerkte, dass Amys Augen auf ihm ruhten. Die Biologin beobachtete ihn aufmerksam durch den Rückspiegel. Er wandte den Kopf zur Seite. Mochte der Himmel wissen, was sie gerade dachte.

8
    M it ihrem schweren Rucksack bepackt, erklomm Amy den steilen Hang, der den Fuß des Weismann-Massivs bedeckte. Ray, der ein paar Meter vor ihr ging, bahnte ihnen mit seiner Machete einen Weg durch den Dschungel. Sie waren jetzt schon seit über einer Stunde unterwegs, aber noch immer zeigte der Ire keine Anzeichen von Ermüdung. Wie eine Maschine hob und senkte er seinen Arm, schlug Äste und Zweige ab und hinterließ eine Schneise, durch die die anderen bequem den Berg hinaufsteigen konnten. Dampfschwaden stiegen von seinem Oberkörper auf und vermischten sich mit dem kühlen Nebel. Das Kreischen der Vögel und Affen war allgegenwärtig. Ameisenstraßen kreuzten den Boden, so dass man gut daran tat, die Hosen in die Socken zu stecken. Wer einmal von einem der riesigen Insekten gebissen wurde, vergaß das nie wieder. Ringsumher ragten dicke Bambusstauden auf. Inzwischen war der Himmel über ihnen aufgerissen. Ein Meer von Sonnenstrahlen durchflutete die dichte Vegetation. Die Nebelschleier ließen die Lichtkegel plastisch hervortreten. Tautropfen glitzerten auf den Blättern, als wären es Diamanten.
    Während Ray weiter durch das schier undurchdringliche Dickicht ackerte, achtete Amy darauf, dass sie nicht vom Weg abkamen. Das war etwas, wovon sie wirklich Ahnung hatte. Man hätte sie in den dichtesten Dschungel stecken und mit verbundenen Augen im Kreis drehen können, sie hätte doch wieder hinausgefunden.
    »Mir will Rays Flugzeugunglück nicht aus dem Sinn«, hörte sie Mellies Stimme dicht nebenan. Die Botanikerin keuchte und schnaufte wie ein Teekessel. »Wie kann es sein, dass bei einer so hochgerüsteten Maschine sämtliche Instrumente ausfallen? Ich habe immer geglaubt, es gäbe da einen Haufen Sicherungen und Warnmelder, damit so etwas nicht geschieht.«
    Ray blieb stehen. Sein Gesicht war schweißüberströmt. »Da bin ich überfragt«, keuchte er. »Ich glaube, die Typen vom Bergungspersonal wussten es selbst nicht so genau.«
    »Ich würde auf ungewöhnliche Sonnenaktivität tippen.« Karl kam den Hang empor geschnauft, seinen Körper auf einen Bambusstab gestützt, den er unterwegs geschlagen hatte.
    »Sonnenaktivität?« Ray runzelte die Stirn.
    Amy musste lächeln. Sie kannte Karl gut genug, um zu wissen, wie sehr er darauf brannte, endlich mal mit seinem Wissen glänzen zu dürfen. Außerdem war sowieso Zeit für eine Pause. Sie sagte den anderen Bescheid und suchte eine geeignete Stelle für eine Rast. Alle ließen ihre Rucksäcke sinken. Karls blasse Wangen waren merklich gerötet. »Wusstet ihr, dass die Sonne seit etwa sechzig Jahren eine ungewöhnlich aktive Phase hat?«, fuhr er fort. »Sie ist so aktiv, wie schon seit achttausend Jahren nicht mehr. Praktisch seit dem Ende der letzten Eiszeit.«
    »Ich muss gestehen, damit kenne ich mich überhaupt nicht aus«, entgegnete Ray. »Aber dass vermehrte Sonneneinstrahlung zu Bruchlandungen bei Flugzeugen führen soll? Ich

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