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Korona

Korona

Titel: Korona Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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meinst du, Ray?«
    Aber Ray hörte schon gar nicht mehr zu. Seine Aufmerksamkeit war plötzlich von etwas anderem angezogen worden. Er hatte eine Bewegung im Unterholz gesehen. Nur flüchtig, aber er war sicher, dass es keiner von den Soldaten gewesen war. Ehe er etwas sagen konnte, fiel ein Schuss.

10
    R unter«, zischte er. Der Schuss war von links gekommen und zwar aus ziemlicher Entfernung. Durch die Blätter sah Ray die Soldaten in gebückter Haltung durchs Unterholz rennen. Der Offizier kam zu ihnen herüber und gab den Wissenschaftlern mit Handzeichen zu verstehen, dass sie in Deckung bleiben sollten.
    »Was ist denn los?«, zischte Amy. »Wer zum Geier schießt da auf uns?« Der Offizier signalisierte ihr, den Mund zu halten, dann verschwand er wieder.
    Ray spürte sein Herz schlagen. Die letzten Sonnenstrahlen fielen durch die Laubkrone und zauberten fließende Muster aus schimmerndem Gold auf Blätter und Boden. Jedes Geräusch gewann an Bedeutung, jedes Knacken und jedes Rascheln konnte den Tod bedeuten. Seine Sinne waren aufs äußerste geschärft. Das Leben um ihn herum verlief wie in Zeitlupe, als wären sie in ein Glas mit flüssigem Honig getaucht worden.
    Plötzlich sah er es. Ein winziger Farbfleck im Unterholz, kaum wahrnehmbar. Doch so kurz es auch gewesen war, er hätte schwören können, dass es ein gelbes T-Shirt war. Ein kaum wahrnehmbares Rascheln war zu hören, dann war alles wieder still. »Bleibt, wo ihr seid«, zischte er, »ich bin gleich wieder da.«
    Dann sprang er auf.
    Amys verhaltene Rufe ignorierend, eilte er durchs Unterholz. In geduckter Haltung rannte er an Bäumen vorbei und unter Blättern hindurch. Er spürte das Adrenalin durch seine Adern pumpen. Sein Atem ging stoßweise, während er den Boden nach Spuren absuchte. Nach wenigen Minuten hatte er die Stelle erreicht, wo er das T-Shirt gesehen hatte. Er kauerte sich hin und untersuchte den Boden.
    Da, ein Fußabdruck – genau wie die, die sie im Lager gefunden hatten. Seine Finger glitten über die Ränder der Vertiefung. Was hatte der Typ hier gewollt? Irgendwo in seinem Innern klingelte eine Alarmglocke. Hier stimmte etwas nicht.
    Er blickte umher. Eine benachbarte Grasstaude war seltsam auseinandergebogen. Es sah fast so aus, als habe jemand sich daran zu schaffen gemacht. Ray ließ seine Finger zwischen die Halme gleiten. Seine Finger berührten scharfkantiges Metall. Mit einem bangen Gefühl in der Magengrube bog er das Gras auseinander.
Eine Bärenfalle.
Eine frisch geschlagene Bambusstaude lag darin. Die Leibspeise der Gorillas.
    Er hob den Kopf. Es war ganz offensichtlich, dass die Soldaten in die falsche Richtung unterwegs waren. Völlig kopflos folgten sie den Schüssen, ohne zu bedenken, dass es vielleicht nur ein Ablenkungsmanöver war. Wieder ertönte ein Knall, weit entfernt zu ihrer Linken.
    Er musste an das zerstörte Camp denken. Warum waren die Wilderer das Risiko eingegangen, dort Feuer zu legen? Sie mussten doch davon ausgehen, dass man den Rauch über Kilometer hinweg sehen konnte. Wäre es nicht besser gewesen, einfach nur mitzunehmen, was nicht niet- und nagelfest war, und den Rest stehenzulassen? Warum diese Gewalt?
    Konnte es sein – der Gedanke ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren –, dass die Brände nur dazu gedient hatten, jemanden herzulocken? Jemanden wie Amy, der den Unterschlupf der Affen kannte?
    Ray zog sein Messer aus der Scheide, prüfte Klinge und Griff und ließ es wieder zurückgleiten. Er musste etwas unternehmen, so viel war klar. Er wusste, wie tapfer die großen Primaten waren. Wenn es darum geht, ihre Familie zu verteidigen, kämpfen Gorillas bis zum Tode. Oft muss man die ganze Sippe abschlachten, um an die Jungtiere zu kommen.
    Ein Blick auf seine Schuhe offenbarte ein Problem. Mit diesen dicken Tretern würde er kaum unbemerkt laufen können. Ein brechender Zweig, und die Wilderer würden auf ihn aufmerksam werden. Sein Vorteil lag im Überraschungsmoment. Wenn er eine Chance haben wollte, an ihnen vorbeizukommen, musste er ebenso unsichtbar wie lautlos sein.
    Er zog die Schuhe aus, band sie zusammen und hängte sie über die Schulter. Dann nahm er die Verfolgung auf. Mit schnellen Schritten eilte er den Hang hinauf.
    Die Strecke war ihm noch gut im Gedächtnis. Wenn er vor den Wilderern da sein wollte, musste er sie umgehen und in einem weitgezogenen Halbkreis gegen den Uhrzeigersinn den Hügel hinauf. Er konnte nur hoffen, dass seine Vermutungen zutrafen und er

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