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Korona

Korona

Titel: Korona Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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lässt, gäbe es keine Zivilisation. Burke nimmt es übrigens als Beweis für seine Theorie der beschleunigten Evolution.«
    Ray blickte sie fragend an.
»Beschleunigte Evolution?«
    »Eines der großen Rätsel in der Entwicklung der Arten«, erklärte Amy. »Eigentlich dürfte sich das Leben auf der Erde gar nicht so weit entwickelt haben, wie es der Fall ist. Betrachtet man die Zeitspanne, die seit Auftreten der ersten Lebensformen zur Verfügung gestanden hat, dürften wir – rein mathematisch – erst auf der Entwicklungsstufe des Regenwurms stehen. Dass dem nicht so ist, davon kann sich jeder überzeugen, wenn er morgens in den Spiegel blickt.«
    »Ich kenne genug Leute, deren IQ kaum höher ist«, sagte Mellie grinsend.
    »Du meine Güte«, seufzte Ray. »Mir wird langsam bewusst, wie lange ich
wirklich
weg war.«
    »Die beschleunigte Evolution ist eine unumstößliche Tatsache«, sagte Amy. »Mittlerweile gibt es kaum noch einen seriösen Wissenschaftler, der daran zweifelt. Die Erkenntnis, die man in den letzten Jahren gewonnen hat, ist ebenso einfach wie tiefgründig: Es muss eine treibende Kraft hinter der Entwicklung der Arten stecken. Eine Kraft, die den Evolutionsprozess beschleunigt.«
    »Wollen Sie damit sagen, dies sei ein Beweis für die Existenz eines Schöpfers?« Ray hob ironisch die Brauen. »Das klingt jetzt aber verdächtig nach
Intelligent Design.
Haben Sie die Theorie von der Homepage der Kreationisten?«
    »Natürlich nicht. Nur weil es bequem ist, an einen Schöpfer zu glauben, muss es nicht automatisch richtig sein. Aber zugegeben: Die beschleunigte Evolution passt den Kreationisten natürlich fabelhaft ins Konzept.«
    »Und was könnte dann der Grund sein?«
    »Der Zufall, die Spontaneität,
Chaos,
nennen Sie es, wie Sie wollen. Ganz unzweifelhaft spielen unvorhergesehene Ereignisse bei der Entwicklung des Lebens eine viel größere Rolle, als uns bisher bewusst war.« Ihre Augen leuchteten. »Nehmen Sie zum Beispiel folgendes Modell zu Hilfe«, sagte sie. »Stellen Sie sich vor, Sie befänden sich in einem perfekten Ökosystem. Einem System, in dem jede Lebensform ihren Platz hat und niemand dem anderen das Leben schwermacht. Perfekt ausbalanciert.«
    Ray blickte skeptisch. »Schwer vorstellbar.«
    »Nehmen wir trotzdem mal an, es gäbe so etwas«, sagte Amy. »Und jetzt stellen Sie sich vor, jedes Lebewesen wäre ein Auto, das mit exakt einhundert Stundenkilometern und einem exakt bemessenen Abstand zum Vordermann über die Autobahn fährt. Alles läuft glatt. Man grüßt einander und ist rücksichtsvoll. Jeder hat seine Nische und ist zufrieden. Die Abstände sind so bemessen, dass kein anderer Autofahrer einscheren kann. Und dann rennt plötzlich ein Kaninchen über die Straße.«
    »Was denn für ein Kaninchen?«
    »Keine Ahnung. Ein Wetterwechsel, ein Meteorit, ein Erdbeben. Irgendetwas, das die perfekte Harmonie stört. Also, was geschieht? Der erste Autofahrer bremst ab, der zweite auch und auch der dritte und vierte, alles kein Problem. Doch bei jedem Abbremsen kommt es zu einer minimalen Verzögerung, bedingt durch die Reaktionszeit. Diese Verzögerung baut sich so weit auf, dass es dem Autofahrer an der fünfzigsten Stelle nicht mehr rechtzeitig gelingt, zu bremsen. Er mag ein noch so guter Fahrer sein, sein Auto fährt unweigerlich auf seinen Vordermann auf. Und dann das nächste und das übernächste. Es kommt zu einer Massenkarambolage. Einem evolutionären Supergau. Auf einmal klaffen überall Löcher. Riesige Abstände, in die fremde Autofahrer einscheren können. Autofahrer in verrosteten Blechkisten oder in absonderlichen Experimentalfahrzeugen, die sonst vielleicht nie eine Chance bekommen hätten. Auf einmal bekommen Lebensformen eine Chance, die nach dem Prinzip
Survival of the fittest
unweigerlich untergegangen wären. Es kommt zu sprunghaften Entwicklungsschüben, zu beschleunigter Evolution. Und das alles nur wegen eines kleinen, unbedeutenden Kaninchens.«
    Ray grinste. »Klingt eher nach einem schwarzen Stein mit den Seitenverhältnissen eins zu vier zu neun.«
    Amy runzelte die Stirn. »Was für ein Stein?«
    »Haben Sie nie
2001  – Odyssee im Weltraum
gesehen? Der schwarze Monolith?«
    Amy schaute ihn immer noch groß an. Sein Scherz war ganz offensichtlich ein Rohrkrepierer.
    »Wundersame Steine gibt es hier nicht.«
    »Ach komm schon, Amy«, sagte Karl, der offensichtlich Mitleid hatte. »Vielleicht hat nur noch niemand nach diesem Stein gesucht. Was

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