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Korona

Korona

Titel: Korona Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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ja Bescheid. Nichts wie los.«

9
    D ie Höhle war ein dunkles Loch am unteren Ende einer steil aufragenden Felswand. Sie maß etwa vier Meter in der Breite und zwei in der Höhe und war an den Rändern mit Ranken und Kletterpflanzen bewachsen. Kaum ein Lichtstrahl drang bis hier herunter. Die Bäume standen so dicht, dass die Umgebung in ein geheimnisvolles Zwielicht getaucht war. Ray spürte die Anwesenheit der Affen. Ihr Geruch war allgegenwärtig.
    Gorillas neigen nicht gerade zu übermäßiger Hygiene. Sie lassen ihre Ausscheidungen fallen, wo es ihnen gerade beliebt, am liebsten in ihre eigenen Schlafnester. Das ist auch der Grund, warum sie normalerweise gleich am nächsten Tag weiterziehen.
    Diese Gorillas hier waren anders. Niemand wusste, warum sie sesshaft geworden waren. Burke hatte darüber spekuliert, ob es eine Reaktion auf die fortwährende Bedrohung durch Wilderer war, doch die Geschwindigkeit, mit der diese evolutionäre Neuausrichtung vonstatten gegangen war, konnte auch er nicht erklären. Fest stand, diese Gorillas hatten ihr Dasein als Wanderer aufgegeben und besaßen nun einen festen Wohnsitz. So wie die Vorfahren der Menschen vor vielen Millionen Jahren.
    »Sind Sie sicher, dass sie da drin sind? Ich kann nichts erkennen.« Er versuchte die Dämmerung mit seinen Augen zu durchdringen.
    »Sie verlassen die Höhle nur zur Nahrungssuche«, flüsterte Amy. »Hauptsächlich am Vormittag und am frühen Nachmittag.« Sie blickte auf die Uhr. »Es ist jetzt kurz nach vier. Um diese Zeit bereiten sie sich meistens schon auf die Nachtruhe vor.«
    »Und was machen wir jetzt?«
    »Wir werden ihnen natürlich trotzdem einen Besuch abstatten. Ich muss mich unbedingt vergewissern, dass alles in Ordnung ist. Außerdem habe ich Whitman versprochen, dass ich Ihnen Ihre Studienobjekte persönlich zeige.«
    Die Lichtkegel ihrer Taschenlampen tasteten wie leuchtende Finger durch die Dunkelheit. Der Eingang der Höhle war übersät mit Abdrücken von Primatenfüßen. Der Geruch war nur schwer zu ertragen. Es roch wie in der Kanalisation einer Großstadt. Entweder machte den Gorillas der Gestank nichts aus, oder aber ihre Nasen waren einfach nicht besonders gut entwickelt.
    Dumpfes Grunzen drang an sein Ohr. Man hatte sie also bereits entdeckt. Amy stieß ein beruhigendes Räuspern aus, das von vielen Seiten beantwortet wurde. Sie hob die Lampe. Überall glänzten ihnen weit geöffnete Augen entgegen. Sie stieß ein weiteres Räuspern aus.
    Plötzlich war eine Bewegung im Kegel der Lampen zu sehen. Ein Jungtier. Seine rostroten Augen schimmerten wie Kupfermünzen. Sein schwarzes Fell war durchsetzt mit Grashalmen und Blättern, Baumaterial, mit dem die Affen ihre Nester bauten.
    »Das ist Isano«, flüsterte Amy. »Ein Halbwüchsiger, gerade mal drei Jahre alt. Ein ziemlich frecher Kerl.«
    Als hätte er die Worte der Biologin verstanden, kam der Affe herangehoppelt und versetzte ihr einen leichten Schlag auf den Oberarm. Ein Schatten löste sich von der linken Seite und kam auf sie zu, ein Weibchen. Sie packte den Halbstarken und nahm ihn mit in die Dunkelheit. »Akago, seine Mutter«, kommentierte Amy. »Da hinten kannst du ihre beiden anderen Kinder Dusangire und Urumuli erkennen.«
    »Wie können Sie die Tiere auseinanderhalten?«, fragte Ray. »Für mich sehen die alle gleich aus.«
    »Achten Sie auf die Nasen. Gorillanasen sind wie Fingerabdrücke«, sagte Amy. »Jede ist anders geformt. Isanos Nase zum Beispiel ist länglich und hat den Umriss eines Tropfens. Die von Akago hat zwei typische parallele Falten direkt über den Öffnungen. Wenn man die Formen einmal gelernt hat, kann man sie nie mehr verwechseln.« Sie streckte ihre Hand aus und machte leise schnalzende Geräusche. »Ich weiß nicht, was mit Akago heute los ist. Normalerweise lässt sie ihre Kleinen frei herumtollen.«
    »Vermutlich weil sie mich nicht kennt«, meinte Ray, der die großen Primaten mit Faszination betrachtete.
    »Sie kennt
mich,
das sollte normalerweise ausreichen«, sagte Amy. »Meine Freunde sind automatisch auch ihre Freunde.
Mi casa es su casa,
das ist so bei Gorillas. Außerdem ist diese Gruppe den Umgang mit Menschen gewöhnt. Es muss etwas anderes sein. Vielleicht haben sie die Wilderer gewittert.« Sie ließ ihren Lichtkegel durch die Höhle wandern. »Vierzehn«, sagte sie, »einschließlich des Silberrückens, sehen Sie?« Sie deutete auf ein gewaltiges Tier, das auf einem Felsvorsprung hoch über den anderen thronte.

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