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Korona

Korona

Titel: Korona Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Gespräch mit Whitman erzählte, versuchte er, den Dingen nicht zu viel Bedeutung beizumessen. Diese Episode war nur ein weiterer Stolperstein in einer Kette von Stolpersteinen. Eine unbedeutende Hürde auf seinem Weg zum Ziel. Ein wenig schwieriger diesmal, ein wenig höher, aber nicht unüberwindlich.
    Als Amy zum Ende kam, schlug Ray fassungsloses Schweigen entgegen. Alle blickten ihn an.
    »Sag, dass das nicht wahr ist«, sagte Mellie. »Bitte sag, dass das alles nur ein riesengroßes Missverständnis ist.«
    Ray presste die Lippen aufeinander und schwieg.
    »Ich wusste es.« Dan Skotaks Stimme war schneidend wie eine Rasierklinge. »Ich wusste es die ganze Zeit. Nichts als Lügen und Halbwahrheiten. Kein Wunder, der Kerl ist Ire. Die lügen doch, wenn sie nur den Mund aufmachen. Hat er dich so rumgekriegt, Mellie? Mit Lügen und Versprechungen?«
    »Sei doch still«, sagte die Botanikerin. »Du machst alles nur noch schlimmer.«
    Dan stieß ein zynisches Lachen aus. »Eingewickelt hat er dich, wie jeden von uns.«
    »Du verstehst nichts, gar nichts.« In Mellies Augen schimmerten Tränen.
    »Aufhören, sofort!« Karl drängte nach vorn. »Tragt euren privaten Zwist woanders aus. Wir haben im Moment wirklich andere Probleme.« Er wandte sich an Ray. »Stimmt es, was Amy gesagt hat? Bist du wirklich nach Uganda gekommen, um hier irgend so eine Monte-Christo-Nummer abzuziehen?«
    Ray hielt dem Blick eine Weile stand, dann verzog er den Mund zu einem grimmigen Lächeln. »Monte Christo hatte es einfacher. Er war reich, vergesst das nicht.«
    »Sehr witzig.«
    »Was willst du wissen?«
    »Ob du Will tatsächlich umlegen wolltest?«
    Ray konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Wie kalt er das Wort
umlegen
aussprach, war einfach zu witzig. Wie aus einem alten Gangsterfilm mit James Cagney.
    Er überlegte eine Weile, dann sagte er: »Um ehrlich zu sein, ich hatte keine Vorstellung, was geschehen würde. Ich wollte hören, was Will zu sagen hat. Und dann …«
    »Dann hättest du ihn getötet, nicht wahr?« Amys Stimme war schneidend wie ein Rasiermesser.
    »Ich weiß es nicht.«
    »Wärst du überhaupt in der Lage, jemanden zu töten?«, fragte Karl. »Ich meine so richtig, mit eigenen Händen?«
    Ray wich seinem Blick aus. Ohne dass er es wollte, weckten Karls Worte Erinnerungen in ihm. Erinnerungen an diesen einen Tag, als Angus McCallum und drei seiner Spießgesellen ihn beinahe auseinandergenommen hatten. Er war damals schon über ein halbes Jahr im Knast und galt eigentlich nicht mehr als
Frischfleisch
. Jeder Tag, der verging, schürte seine Hoffnung, dass dieser Kelch an ihm vorübergehen möge – dass ihm erspart bliebe, was so viele seiner Häftlingskollegen erleiden mussten. Als es dann aber doch passierte, traf es ihn völlig unvorbereitet. Es war in der Gemeinschaftsdusche. Die vier hatten gewartet, bis der Rest verschwunden war und waren dann über ihn hergefallen. Zwei von links, zwei von rechts. Ray kannte Angus natürlich vom Sehen. Er war so etwas wie eine lokale Berühmtheit. Angeblich war er dick im Drogengeschäft und hatte mindestens fünf Menschen ermordet. Keiner zweifelte daran, dass er nach seiner Entlassung genau da weitermachen würde, wo er aufgehört hatte. Der typische Berufskriminelle, der seine Strafe auf einer Arschbacke absaß. Er umgab sich gern mit einer Traube muskelbepackter Bodyguards, die seinen Befehlen blind gehorchten. So hatte er es draußen gemacht und so machte er es auch hier im Knast. Jeder, der halbwegs bei Verstand war, machte einen weiten Bogen, wenn Angus im Hof oder bei der Essensausgabe auftauchte. Ray hatte bis zu diesem Zeitpunkt bereits beträchtlich an Muskeln zugelegt. Als minderschwerer Fall hatte er Zugang zu den Trainingsräumen, in denen er täglich ein bis zwei Stunden seinen Frust abreagierte. Liegestütze, Klimmzüge, Situps, Hanteln stemmen, das ganze Programm. Er war zwar noch nicht der zähe Brocken, der er heute war, doch bereits ein ernstzunehmender Gegner. Angus wusste das und ging deswegen auf Nummer sicher. Mit einem Handzeichen gab er seinen Spießgesellen zu verstehen, Ray festzuhalten, während er seinen Schlagring überstreifte. Das war sein Markenzeichen. Er war berüchtigt dafür, seine Opfer halb ohnmächtig zu prügeln. Dabei ging es ihm gar nicht mal um Vergewaltigung. Er war nicht schwul oder so. Er war einfach ein Arschloch, das gern wehrlose Opfer verprügelte. Ray war klar, dass er nur eine einzige Chance hatte. Er musste Angus

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