Korona

Titel: Korona Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer

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Fachwissens und ihrer ausgefeilten Elektronik nicht erklären konnten.
    Etwas Unbeschreibliches.
    Etwas Unvorstellbares.
    Offenbar ging es um ein Ereignis, dessen Existenz bisher nur postuliert worden war. Ein astrophysikalisches Paradoxon, ein Rätsel von kosmischen Dimensionen. Ein
Loch in der Raumzeit,
wie Krausnick es genannt hatte, war entstanden. Ein Wurmloch, benannt nach der Fraßspur einer Larve, die sich durch den Apfel des Universums bohrte.
    Und seine Leute waren mittendrin.
    Allein die Erwähnung dieses Begriffs reichte aus, um vor Richards geistigem Auge das Bild einer riesigen Öffnung entstehen zu lassen, die alles und jeden verschlang. Aber vermutlich lag er damit genauso falsch wie mit der Vorstellung, dass es ein greifbares, materielles Phänomen sei, ähnlich einem Strudel oder Wirbelsturm.
    Er begann noch einmal ganz von vorn. »Dieses Loch«, sagte er vorsichtig, »ist der Grund, warum auf den Satellitenkarten die Region des Ruwenzori als schwarzer Kreis dargestellt wird?«
    »Nein«, entfuhr es Krausnick, dem inzwischen klargeworden sein musste, dass er es mit einem totalen Laien zu tun hatte. »Nein und auch wieder ja, wenn auch nur indirekt.« Er rang mit den Worten. »Sehen Sie: Eine elektronische Karte ist wie ein Fernsehbild. Sie entsteht immer wieder neu, gespeist aus Daten, die in einem immerwährenden Strom hereinfließen. Wenn das Signal unterbrochen wird oder wenn die Informationen für den Empfänger unverständlich sind, kommt es zu Bildrauschen. Wobei dieses im Fall von meteorologischen Programmen manchmal als schwarzer Fleck oder Loch dargestellt wird. Wenn ich also von einem Loch im Raum-Zeit-Kontinuum spreche und dieses als schwarzes Loch dargestellt wird, dann ist das nur ein Zufall. Das Programm hätte die fehlenden Daten auch als Smiley darstellen können, wenn die Programmierer etwas mehr Humor gehabt hätten.«
    »Wie genau muss ich mir ein solches
Loch
denn nun vorstellen?«, fragte Richard.
    »Oh, das kann ich Ihnen beim besten Willen nicht sagen«, sagte Krausnick. »Bitte vergessen Sie nicht, wir reden hier über etwas, das bisher nur als theoretisches Gedankenkonstrukt existiert. Als eine Unzahl von Formeln, Thermen und Gleichungen. Niemand in der gesamten Forscherwelt glaubt ernsthaft, dass so etwas in der realen Welt existieren kann – geschweige denn hier auf unserer guten alten Erde. Bisher gab es das nur auf dem Papier. Aber das war bei der von Einstein postulierten Zeitdilatation ja auch nicht anders, wie Sie sich erinnern werden. Zumindest, bis man sie 1960 im Pound-Rebka-Experiment gemessen hat. Eines dürfte jedoch klar sein: Die Energiemengen, die dazu nötig sind, ein solches Loch zu produzieren, dürften astronomisch sein.«
    »Wie hoch?«
    »Schwer zu sagen. Jedenfalls mehr Energie, als die Menschheit in einem gesamten Jahr produzieren könnte. Lassen Sie es mich mit einem Beispiel verdeutlichen. In der Vorstellung der Kosmologen erstreckt sich das Universum nicht gleichförmig in alle Richtungen.«
    »Nicht? Wie denn dann?«
    »Der Raum ist gekrümmt, so, als befänden wir uns auf der Oberseite eines Ballons, der immer mehr anschwillt. Wenn man also auf die andere Seite gelangen möchte, könnte man den weiten Weg über die Hülle nehmen – und dabei viel Zeit verplempern – oder man fände eine Abkürzung. Quer durch den Ballon zum Beispiel, wie mit einer langen Nähnadel. Obendrein besitzt das Universum keine glatte Oberfläche, sondern ist auf vielfältigste Art gekrümmt und gefaltet. Man muss sich das vorstellen wie bei einer Tischdecke. Zwei Kaffeeflecken, die vielleicht fünfzig Zentimeter auseinander sind, können in direkte Nachbarschaft geraten, wenn man die Decke faltet. Plötzlich liegt ein Fleck über dem anderen und es wäre ein Leichtes hinüberzureisen, wenn man nur den richtigen Schlüssel fände. Und dieser Schlüssel heißt Energie. Viel Energie. Berge von Energie. So viel, dass sie den Bedarf der Menschheit für mehrere Jahrzehnte decken könnte.«
    »Energie? Vielleicht solcherart, wie sie beim Ausbruch der Sonne freigesetzt wird? Wenn diese punktgenau auf eine Stelle gerichtet wäre …?«
    Es entstand eine kurze Pause. »Durchaus möglich.«
    Richard strich über seine Stirn. Er spürte, dass er kurz davorstand, das Rätsel zu lösen. Es war, als wäre eine Kette von Dominosteinen ins Fallen geraten.
    Domino Day.
    »Ich glaube, ich beginne zu verstehen, wovon Sie reden.«
    »Das freut mich«, erwiderte Krausnick am anderen