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Korona

Korona

Titel: Korona Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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unschädlich machen, und zwar ehe dieser seinen ersten Schlag landen konnte, denn danach würden die Pein und die Erniedrigung ihn kampfunfähig machen. Er versuchte also erst gar nicht zu fliehen, sondern griff direkt an. Etwas, womit Angus offenbar nicht gerechnet hatte. Sei es, dass ihn die Vorfreude unkonzentriert hatte werden lassen, sei es, dass er zu sehr auf seinen Ruf als härtester Schläger Mountjoys vertraute, jedenfalls war er überrascht. Ray nutzte den glücklichen Zufall und rammte ihm seinen kahlrasierten Schädel frontal vor die Brust. Angus glitt auf dem rutschigen Boden aus und schlug hart hinterrücks auf den Stein. Ein überraschter Laut drang aus seiner Kehle, als Ray seinen Kopf packte und ihn mit voller Wucht auf den Boden schmetterte. Er hörte ein Krachen, als ihn die Fäuste der andern trafen. Sein Kopf schien zu explodieren, als unzählige Schläge und Tritte auf Stirn, Schläfen und Nase hagelten. Trotzdem hatte er noch genug Kraft, Angus’ Schädel zu packen und noch einmal auf den Boden zu donnern. Und noch einmal und noch einmal. Er war bereits halb ohnmächtig, als er spürte, wie der Knochen nachgab. Etwas Warmes, Flüssiges strömte über seine Finger, dann verlosch die Welt um ihn herum.
    Als er wieder zu sich kam, war er im stationären Krankentrakt von Mountjoy. Sein Kopf und seine Schulter waren zentimeterdick bandagiert und die Schmerzen und Prellungen im Brustbereich beinahe nicht zu ertragen. Trotzdem merkte er sehr bald, dass er gewonnen hatte. Es war einer jener seltenen Momente gewesen, in denen er glücklich war. Angus McCallum würde nie wieder auf die Beine kommen. Es gab keine Anklage und keinen Prozess, keine Vorwürfe und Bestrafungen. Solche Dinge wurden von der Gefängnisleitung wie gewohnt unter den Teppich gekehrt. Gerüchte besagten, man habe Angus in einen anderen Gefängnistrakt verlegt, doch Ray hielt es ebenso gut für möglich, dass er gestorben war. Tief in seinem Inneren konnte er immer noch spüren, wie der Schädelknochen zwischen seinen Fingern zerbrach …
    »Und? Hast du?« Karls bohrender Blick riss ihn aus seiner Erinnerung. »Nein.« Ray presste die Lippen aufeinander. »Jedenfalls nicht absichtlich.«
    »Glaubt ihm kein Wort«, sagte Dan. »Man braucht bloß in sein Gesicht zu sehen, um zu wissen, dass er wieder irgendwelche Spielchen mit uns spielt.«
    »Sei doch endlich still«, sagte Amy. »Mellie hat recht. Deine Eifersüchteleien fangen an zu nerven. Wenn du mal wieder etwas Sinnvolles beizutragen hast, würde ich mich freuen, von dir zu hören. Bis dahin halt einfach die Klappe, okay?«
    »Du willst etwas Sinnvolles hören?« Dan blickte Ray herausfordernd an. »Dann frag doch mal, was er mit unserem Lager angestellt hat, während wir ohnmächtig waren.« Er deutete in die Runde.
    Die kreisförmige Lichtung, auf der ihre Zelte standen, lag genau vor ihnen.
Gestanden hatten,
wäre wohl der treffendere Ausdruck gewesen, denn von den Zelten fehlte jede Spur. Auch die Rucksäcke, die Verpflegungsbeutel und Wasserschläuche waren verschwunden. Es gab nichts mehr, nicht mal Amys wertvolles Notebook.
    Ray brauchte ein paar Sekunden, um zu erkennen, dass es tatsächlich derselbe Ort war, den sie am Morgen verlassen hatten. Die Umgebung hatte sich während ihrer Abwesenheit deutlich verändert. Der Schnee war verschwunden. Statt kalter Farben, wie sie noch bei ihrem Abmarsch vorgeherrscht hatten, leuchtete der Wald jetzt in satten Grün- und Gelbtönen. Die Baumstämme wirkten in dem veränderten Licht monumentaler, kraftstrotzender und älter. Trotzdem waren es unzweifelhaft dieselben Bäume. Die Dreiergruppe auf der rechten Seite, der V-förmig gespaltene Stamm hinter Amys Zelt und die Ansammlung ausladender Bromeliengewächse zu ihrer Linken. Nur die Zelte waren nicht mehr da.
    Dan grinste. »Na, was sagt ihr jetzt? Habe ich euch nicht gewarnt, dass er uns wieder nur zum Narren hält?«
    Die anderen starrten Ray an, als erwarteten sie, er möge die verschwundenen Sachen aus dem Hut zaubern.
    »Ich habe keine Ahnung, was hier passiert ist«, murmelte er. »Ehrlich. Ihr müsst mir das glauben.«
    »Wir müssen dir das glauben?«
Dans Stimme triefte vor Sarkasmus. »Und das aus dem Mund von jemandem, der uns die ganze Zeit verarscht hat? Für wie blöd hältst du uns eigentlich?« Er sprach wie jemand, der nicht wusste, wie kurz er davorstand, seine Schneidezähne zu verlieren.
    »Ich habe doch schon gesagt, ich war das nicht.«
    »Spielt immer

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