Korona
Stratosphäre sauste.
Er spielte die Nachricht noch einmal ab. Er hatte festgestellt, dass sie besser zu verstehen war, wenn er die Höhen und Bässe reduzierte und nur das mittlere Frequenzband benutzte.
»Richard … la«,
sagte die Stimme.
»… offe, … richt unverzerrt. … eht uns gut. … unvorhersehbare Ereignisse … Mission hier ab. … Whitman … unangenehme Details. … ückweg … Bugonde. … hinterlasse … Nachricht. … eute Abend. … rück uns … Daumen. … Ende.«
Das war alles.
Richard trommelte mit den Fingern auf die Tischplatte. Unvorhersehbare Ereignisse? Rückweg? Whitman? Und von was für unangenehmen Details sprach Amy da? Fragen über Fragen. Die Antwort lag irgendwo da draußen in den dunklen Gewitterwolken verborgen.
Er öffnete die Website der World Meteorological Organization WMO . Dort angelangt, klickte er auf das
World Weather Watch Programme.
Eine der Seiten, auf denen Karl immer herumhing, wenn er verlässliche Daten wollte. Die Daten wurden von zehntausend ausgewählten Wetterstationen gespeist und waren auf dem neuesten Stand.
Es dauerte nicht lange, bis der gewünschte Eintrag erschien. Er blickte ein paar Minuten auf die Zahlenfolgen, dann stutzte er. Während die Zahlen über den Virungas beinahe im Minutentakt aktualisiert wurden, passierte in der Region Ruwenzori gar nichts. Richard rückte näher heran und schaute über den Rand seiner Brille. Merkwürdig. Er tippte auf die Satellitenansicht und übertrug das Datenmaterial in eine topographische Karte. Die Bilder von Meteosat 8 waren als hochauflösende Fotos hinterlegt und ließen an Details keine Wünsche offen. Vom Norden Kameruns bis zur Südspitze Angolas erstreckte sich eine durchgehende Sturmfront mit Windgeschwindigkeiten um die hundert Stundenkilometer. Regenmengen von hundertdreißig Litern pro Quadratmeter wurden angezeigt. Nur über dem Ruwenzori war keine Veränderung zu erkennen. Statt der Satellitenfotos gab es nur ein schwarzes Loch mit einem Durchmesser von annähernd fünfzig Kilometern. Es sah aus, als habe jemand ein Stück aus der Afrikakarte herausgestanzt. Richard fuhr mit der Maus über den tintenschwarzen Fleck.
Daten nicht verfügbar.
»Was soll das heißen?«, erwiderte er. »Ist das jetzt ein technischer Defekt oder was? Wollt ihr mir erzählen, dass Wettersatelliten so etwas wie einen blinden Fleck haben? Oder sind die Werte so schlimm, dass sie jenseits der Skalen liegen? Kommt schon, redet mit mir!« Er versuchte es über ein paar Umwege, aber was er auch unternahm, die Antwort war stets die gleiche.
Richtig unheimlich wurde es, als er zufällig auf den Link eines Internetforums stieß, das auf meteorologische Themen spezialisiert war. Gleich im ersten Thread wurde über eine aktuelle massive Sonneneruption und ihre Auswirkungen auf unser Wetter diskutiert. Richard strich über seine Stirn. Hatte ihnen Karl nicht davon erzählt? Seiner Theorie nach konnten solche Ausbrüche das Wetter auf der Erde beeinflussen. Oder war es mehr als nur eine Theorie?
Wie es aussah, war eine gewaltige Plasmawelle quer durch den Weltraum bis weit in die Erdatmosphäre hineingeschwappt und hatte in vielen Ländern zu technischen Totalausfällen geführt. Betroffen waren vor allem die ost- und zentralafrikanischen Staaten und unter ihnen in besonderem Maße – und hier stockte Richard der Atem – die Region Westuganda.
Wie gebannt las er weiter. Ein Großteil der Beiträge war von Leuten geschrieben worden, die Ahnung von der Materie zu haben schienen: professionelle Meteorologen, Hobbywissenschaftler, Wetterforscher –
Nerds,
genau wie Karl. Trotz aller Begeisterung war ein unterschwelliges Gefühl der Ratlosigkeit, ja sogar der Bedrohung zwischen den Zeilen herauszulesen. Besonders die Spezialisten aus den Abteilungen Astrophysik und Weltraumwetter waren ganz aus dem Häuschen. Wenn Richard die teilweise seitenlangen und konfusen Beiträge richtig interpretierte, gab es Regionen auf der Erde, die buchstäblich für mehrere Sekunden aus dem Blickfeld der Satelliten verschwunden waren. Regionen, die weder durch optische noch elektromagnetische Instrumente erfassbar waren. Dieses Phänomen hatte nur wenige Zehntelsekunden angedauert, doch das änderte nichts an der Tatsache, dass es gleichsam einmalig wie unerklärlich war. Die Artikel lasen sich wie das Drehbuch zu einer Akte-X-Folge.
Richard brauchte jemand, der ihm das Kauderwelsch in vernünftige Worte übersetzen konnte.
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