Korona
russische Kampfhubschrauber vom Typ
Mil Mi- 24
in geringer Bodenhöhe auf die vorderen Ausläufer des Ruwenzori zuflog. Richard hatte einen Fensterplatz ergattert und blickte über die endlose Wasserfläche des Lake Edward, auf dessen spiegelglatter Oberfläche sich riesige Schwärme Rosapelikane und Ibisse versammelt hatten. Beim Näherkommen stoben sie auseinander wie ein Schwarm Fische beim Anblick eines Hais. Fünfzigtausend schwirrende Flügelpaare blitzten in der frühmorgendlichen Sonne auf und entschwanden nach Süden. Der Helikopter mit dem Codenamen
Hind
erreichte das Ufer, stieg auf sechshundert Meter und überflog die Kraterregion des Queen-Elizabeth-Nationalparks. Dutzende von Vulkantrichtern zeugten von der geologischen Aktivität dieser gewaltigen Bruchzone. Fünftausend Jahre war es her, dass die Vulkane Feuer gespuckt hatten, doch wenn man den Geologen glaubte, konnte sich das Gebiet jederzeit wieder in ein Meer aus Flammen und Lava verwandeln.
Vor ihnen tauchten die ersten Viertausender zwischen den Wolkentürmen auf. Richard sah die Spitzen des
Weisman
und des
Okusoma,
dahinter in einiger Entfernung die des
Edward
und des
Margeritha.
Doch so weit brauchten sie gar nicht zu fliegen. Die Siedlung der Bugonde lag westlich der Kitandara-Seen, nur noch knappe vierzig Kilometer entfernt.
Die Stimmung war angespannt. Niemand wusste, was sie bei ihrer Ankunft erwarten würde. Außer seinen beiden Kollegen Wilcox und Parker waren zwei Handvoll Soldaten der
Uganda Peoples Defence
Force an Bord: Acht schwerbewaffnete Einsatzkräfte, deren junge Gesichter darauf schließen ließen, dass man sie frisch von der Militärakademie in Kampala geholt hatte. Hinzu kamen zwei Sanitäter und ein kommandierender Offizier. Ein Leutnant namens Jen Katumba. Er war der Einzige, dem man seine Kampferfahrung ansah. Knappe vierzig Jahre alt, groß gewachsen und drahtig und mit einer markanten Narbe, die sich von seinem Haaransatz über die Schläfe bis zum linken Auge zog. Unter all den jungen Männern wirkte er wie ein echter Haudegen.
Rechnete man die beiden Piloten mit ein, waren sechzehn Männer an Bord des Kampfhubschraubers versammelt, der mit seinen ausladenden Waffenflügeln wie ein angriffslustiges Insekt wirkte. Dass das Team so jung war, hatte möglicherweise damit zu tun, dass das Verteidigungsministerium nicht mit ernsthaften Auseinandersetzungen rechnete. An eine Katastrophe, hervorgerufen durch Sonneneruptionen, glaubte sowieso niemand. Richard war es egal. Er hatte seinen Hubschrauber, das war alles, was zählte.
Während sie über die grünen Wälder des Ruwenzori flogen, stellte er erleichtert fest, dass Krausnicks Befürchtungen offenbar maßlos übertrieben gewesen waren. Er hatte schon halb damit gerechnet, eine verdorrte Wüste vorzufinden, so dramatisch hatte die Schilderung des Sonnenforschers geklungen. Doch die Landschaft sah aus wie er sie kannte: saftige Bergwälder, üppige Lichtungen und klare Seen. Nichts, was darauf hindeutete, dass eine kosmische Katastrophe stattgefunden hatte. Er ließ die Schultern sinken und lehnte sich nach hinten. Was würde Amy wohl sagen, wenn sie sah, dass er mit der Infanterie anrückte?
Er malte sich die Szene gerade in allen Einzelheiten aus, als Wilcox Zeichen gab. Richard rückte nach vorn und sah, dass der Pilot mit seinem Finger nach unten deutete.
»Was ist denn los?«
»Keine Ahnung.« Parker zuckte die Schultern. »Er sagt, er hätte etwas gesehen. Direkt vor uns.«
Richard löste den Gurt, stand von seinem Platz auf und ging nach vorn. Einer der Soldaten gab ihm zu verstehen, er solle sich wieder anschnallen, doch Richard lehnte ab. Erst musste er wissen, was los war.
Dann sah er es.
Vor ihnen stieg Rauch in die Höhe. Nicht aus einer einzigen Quelle, sondern aus Dutzenden. Das Tal der Bugonde sah aus, als wäre es das Ziel eines Bombenangriffs gewesen. So weit man sehen konnte, waren die Hütten und Ställe zerstört. Es gab keine Leichen, dafür aber Dutzende von Krähen, die das Tal wie ein Schwarm blutgieriger Fliegen umkreisten. Beim Eintreffen des Helikopters stoben sie davon.
»Sie haben genug gesehen«, rief ihm der Pilot zu. »Gehen Sie wieder auf Ihren Platz. Wir gehen jetzt runter.«
»Was ist los?«, fragte Parker besorgt, als er wieder bei ihm eintraf. »Konnte man irgendwas erkennen?«
Richard wusste nicht, was er sagen sollte, also schüttelte er nur den Kopf. »Wart’s ab, du wirst es gleich selbst sehen.«
Der Pilot steuerte
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