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Korridore der Zeit

Korridore der Zeit

Titel: Korridore der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poul Anderson
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Soll sie vor Wut platzen, wenn sie es entdeckt. Ich kenne meine Rechte. Sie haben mir meinen Ola genommen, aber dadurch bin ich als seine Mutter für ein Jahr heilig. Keine Geringere als die Koriach darf über mich zu Gericht sitzen, und meine Hohe Frau Istar wird Sie wegen einer so lächerlichen Sache nicht belästigen.«
    Lockridge fühlte seine Kraft zurückkehren. Er raffte sich auf. Die Frau sagte hastig: »Denken Sie daran, daß ich nur an die Tür zu gehen brauche, wenn Sie Scherereien machen. Meine Nachbarn sind starke Männer, die sich einen Spaß daraus machen würden, einen Wildläufer in die Finger zu bekommen. Ich weiß nicht, ob sie Sie selbst in Stücke reißen oder hinausschicken würden, damit Istar Sie jagt, aber Ihr elendes Leben ist in meiner Hand, vergessen Sie das nicht.«
    »Ich ... ich werde Ihnen keinen Ärger machen.« Lockridge musterte die Frau und erkannte, daß sie nicht so alt war, wie er zuerst gedacht hatte. »Wenn ich mich dankbar erweisen kann – in irgendeiner Weise ...«
    Sie blickte ihn überrascht an. »Sie sind kein Wildläufer!«
    »Nein, gewiß nicht.« Er neigte lauschend den Kopf. Das Kläffen der Meute entfernte sich wieder. Er holte tief Luft und wußte daß dies nicht die Zeit war, in der er sterben würde.
    »Aber ... aber Sie kommen nackt aus dem Wald, sind auf der Flucht ... und sind doch glatt rasiert und sprechen besser als ich ...«
    »Sagen wir, ich bin ein Fremdling, wenn auch kein Feind.« Lockridge wählte seine Worte mit Bedacht. »Ich war auf dem Wege hierher, als die Jäger zufällig meinen Pfad kreuzten. Es ist wichtig, daß ich sofort Verbindung zum Hauptsitz der Koriach aufnehme. Sie sollten gut dafür bezahlt werden, daß Sie mir das Leben retteten. Könnten Sie mir ein paar Kleidungsstücke leihen?«
    Sie musterte ihn von oben bis unten, nicht wie eine Frau, die einen Mann mustert, sondern mit der unpersönlichen Vorsicht desjenigen, der sich zu einer Entscheidung durchringen muß. »Also gut. Vielleicht lügen Sie, vielleicht sind Sie ein Teufel, ausgeschickt, um armselige Kreaturen in die Falle zu locken, aber ich habe wenig zu verlieren. Olas Tunika müßte Ihnen passen.« Sie kramte in einem Schrank und gab ihm ein schäbiges Gewand. Ihre Hand strich über den Stoff. »Ein bißchen von seinem Geist muß noch darin sein«, sagte sie leise. »Vielleicht denkt er an mich. Wenn es so ist, stehe ich unter seinem Schutz.«
    Lockridge schlüpfte in die Tunika. »War Ola Ihr Sohn?« fragte er sanft.
    »Ja. Der letzte. Krankheit holte die anderen in der Wiege. Und in diesem Jahr traf ihn, obwohl er noch nicht siebzehn war, das Los.«
    »Ist er es, draußen an dem Kreuz?« entfuhr es Lockridge.
    Sie funkelte ihn ärgerlich an. »Hüten Sie Ihre Zunge! Der da war ein Verräter! Er verfluchte Istars Liebhaber Pribo, nur weil er ihm ein Fischernetz zerrissen hatte.«
    »Es tut mir leid«, stammelte Lockridge. »Ich sagte Ihnen schon, daß ich hier fremd bin.«
    Ihre Stimmung schlug schnell um. Sie rieb sich die Augen. »Wenn ich nur vergessen könnte, wie er schrie, als sie ihn verbrannten.«
    Lockridge ließ sich auf einen Schemel fallen. »Ist diese Istar Ihre Priesterin?« fragte er.
    »Himmel, ja!« sagte sie eifrig. »Sie ist diejenige, die Sie anrufen müßten. Aber nicht vor morgen nachmittag, denke ich. Sie ist zur Jagd ausgeritten und wird lange schlafen, und es gibt niemanden, der wichtig genug ist, sie frühzeitig aus dem Bett zu holen.«
    »Und diese Wildläufer? Wer sind sie?«
    »Was? Das wissen Sie nicht? Sie müssen von weither sein. Sie sind die Nackten, die Waldbewohner, die Lumpen, die einem die Hühner stehlen oder jeden überfallen, der so unklug ist, allein in den Wald zu gehen. Ich weiß wirklich nicht, warum ich Sie einließ, obwohl ich Sie für einen Wildläufer hielt.« Sie zuckte ergeben die Achseln. »Obwohl ich sündig bin, muß Ola mir geraten haben, Sie einzulassen. Wer sonst?« Dann fuhr sie eifriger fort: »Fremder, ich habe Ihnen geholfen. Kann ich dafür die Koriach sehen? Meine Großmutter sah sie einmal. Sie kam hier über dieses Land geflogen. Ihr Haar war so schwarz wie der Sturm, dessen Namen sie oft annimmt. Wenn ich sie sehen könnte, würde ich ruhig sterben können.«
    Lockridge schüttelte die Ermüdung ab, die ihn überwältigen wollte. »Ihre Großmutter sah sie?« wiederholte er. »Vor so langer Zeit?«
    »Wen sonst? Die Göttin stirbt nicht.«
    Irgendeine Art von Trick, vielleicht unter Benutzung der Zeittore.

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