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Korridore der Zeit

Korridore der Zeit

Titel: Korridore der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poul Anderson
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die ganze Ostküste überblicken konnte. Größtenteils war das Land grün – wie lange hatten die Menschen gebraucht, um das unheilvolle Wirken der Rangers vergessen zu machen? –, aber im Süden dehnte sich mehrere Meilen weit ein mächtiger Gebäudekomplex. Die Gebäude zeugten von Geschmack, die Luft um sie war rein, und Lockridge erkannte Parkanlagen. »Ich dachte, die Wardens bauten keine Städte«, sagte er.
    »Sie tun es auch nicht«, erwiderte John. »Aber wir.«
    Lockridges Überlegungen wurden durch das Erscheinen eines silbrig leuchtenden eiförmigen Körpers unterbrochen, der sich über den Horizont hob. Er schätzte die Entfernung ab und dachte: Mein Gott, dieses Ding muß eine halbe Meile lang sein! »Was ist es?«
    »Der Plejadenkreuzer«, sagte John.
    »Aber in Storms Jahren konnten sie die Sterne nicht erreichen!«
    »Nein. Sie waren zu beschäftigt damit, einander umzubringen.«
    Ihr Gefährt beschleunigte. Amerika verschwand in der Einsamkeit eines Ozeans, der sich nie veränderte. Lockridge begann, weitere Fragen zu stellen. Mary schüttelte den Kopf. Tränen verschleierten ihren Blick.
    Nach kurzer Zeit kam Europa in Sicht. Das Gefährt, das sie trug, verursachte kein Geräusch, als es sich abwärts senkte. Sie waren immer noch so hoch, daß die Küste wie eine Landkarte unter ihnen abrollte.
    »Sie steuern ja Dänemark an!«
    »Wir müssen«, sagte John. »Sie können Ihren Bestimmungsort auf dem Landwege erreichen.«
    Das Fahrzeug blieb in der Luft stehen und hing in Sicht des Limfjords. Lockridge sah eine Herde bunt gemusterter Tiere. Waren sie von einem anderen Planeten? Nahe der Einmündung der Bucht erhob sich eine Stadt. Sie hatte keine Ähnlichkeit mit der die er gerade verlassen hatte, und er war froh darüber. Er hatte sich nie mit dem Gedanken an eine Welt, in der alles gleichförmig war, abfinden können. Rote Mauern und kupferne Turmspitzen erinnerten ihn an das Kopenhagen, das er gekannt hatte.
    Nun gut, sagte er sich, was immer mir noch zu tun bleibt, wird wahrscheinlich für eine gute Sache sein.
    »Ich wünschte, wir könnten Ihnen mehr zeigen, Malcolm«, sagte Mary leise. »Aber hier verlassen wir Sie.«
    »Wie? Wo ist Ihr Tunnel?«
    »Wir haben einen anderen Weg gefunden«, sagte John. »Dieses Gerät wird uns ans Ziel bringen.« Die Maschine landete weich. »Steigen Sie schnell aus. Wir dürfen nicht riskieren, beobachtet zu werden.« Er griff nach der Hand seines Passagiers. »Leben Sie wohl!« sagte er rauh.
    »Leben Sie wohl«, sagte auch Mary und küßte ihn. Die Tür glitt zurück. Er sprang hinaus. Das Gefährt hob sich und verschwand.

17
     
     
    Das sommerliche Land, das er gesehen hatte, wartete noch lange Jahre darauf, geboren zu werden. Er stand in einer Wildnis, die so dicht war, wie sie die Tenil Orugaray je gekannt hatten. Die Bäume waren zumeist Buchen, hoch und weiß, aber mit Zweigen, die sich kahl gegen den dunkler werdenden Himmel reckten. Das abgefallene Laub raschelte trocken in einem kühlen Wind. Ein Rabe zog mit schnellem Flügelschlag dahin.
    Lockridge stöhnte. Zu welcher Art von Freunden gehörten diese Menschen, die ihn nackt und allein abgesetzt hatten? Sie mußten es tun, dachte er. Aber, zum Teufel, niemandem war damit gedient, wenn er verhungerte, also mußte jemand in der Nähe leben. Er starrte in die Dämmerung und fand einen Pfad. Schmal und offensichtlich selten benutzt, wand er sich durch Büsche und Baumstämme der Bucht zu. Entgegen dem letzten Funkeln der untergehenden Sonne brach ein Glühen durch den Wald. Der Mond der Jäger, dachte er. Auri mußte ihn seit drei Monaten erwartet haben. Armes einsames Mädchen. Nun, sie mußten sich auf jeden Fall erst mit ihr vertraut machen, und er würde zu ihr eilen, sobald er ein Transportmittel fand.
    Plötzlich blieb er stehen. Kalt lief es ihm den Rücken hinab. In weiter Ferne hatte er das Bellen von Hunden gehört. War das ein Grund, sich zu fürchten? Warum war er so nervös? Er setzte sich wieder in Bewegung. Die Dämmerung ging in die Nacht über. Zweige brachen und stachen ihn, als er halbblind über den Pfad taumelte. Der Wind wurde lauter. Immer näher erklang des Kläffen der Meute. War das ein Horn, was er hörte? Es konnte nichts anderes sein, dem Klang nach zu urteilen.
    Wahrscheinlich benutzen sie den gleichen Pfad, dachte er. Warten wir ab ... Nein. Er ging zum Laufschritt über. Aus irgendeinem Grunde wollte er der Gruppe nicht begegnen. Der Mond stieg höher. Seine

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