Korrupt (German Edition)
an Urteilsvermögen mangelte. Wie das enden mochte, wollte er sich gar nicht erst ausmalen. Er hatte das Gefühl, dass er seine kleine Familie nicht mehr kannte. Trotzdem sah er sich gezwungen, die Fassade aufrechtzuerhalten, um seine Gefühle wenigstens einigermaßen zu verbergen.
«Was hast du denn für Pläne, Martin?»
«Ich muss zu einem Meeting nach Klaipeda. Wir haben dort Anteile an einer Reederei. Klaipeda liegt in Litauen.»
«Unterschätze mich nicht. Ich kenne Klaipeda sehr gut, obwohl ich nicht wusste, dass wir dort geschäftlich tätig sind.» Er massierte mit Daumen und Zeigefinger seine Brauen. «Der Krieg hat dort gewütet, und danach wurde es noch schlimmer. Hast du davon gehört?»
«Nein, das kann ich nicht behaupten.»
«Erst kamen die Deutschen und ermordeten über zweihunderttausend litauischer Juden. Dann kam die Rote Armee. Wenn sie die verbliebenen Juden nicht gleich erschlagen haben, dann haben sie sie nach Sibirien verschleppt.» Er betrachtete Hellsten, dessen Miene ernst geworden war. «So war das Leben in Klaipeda. So nah und doch so fern.»
Hellsten nickte.
«Eine Reederei, sagst du?»
«Ich habe mir noch kein genaues Bild gemacht. Es handelt sich um einen noch nicht unterschriebenen Vertrag, der für uns sehr profitabel wird, falls bestimmte Umstände eintreten. Die Chancen sind jedoch gering. Das Militär hat immer noch sehr großen Einfluss, und viele müssen bezahlt werden, bevor überhaupt etwas passiert. Buster hat darüber schon einmal einen Vortrag gehalten, jetzt geht es nur noch um die Verträge, und ab jetzt bin ich zuständig.»
Droth nickte. «Ich möchte gern mit dir über Buster sprechen. Er soll von einigen seiner Pflichten entbunden werden.»
Hellsten sah ihn an, ohne eine Miene zu verziehen.
Droth fuhr fort: «Buster ist davon überzeugt, dass wir uns stärker in den USA engagieren sollen. In dieser Frage sind wir uns nicht einig. Lass es mich einmal so sagen: Er weiß über einige Dinge Bescheid, die als Druckmittel verwendet werden könnten, um eine Einigung zwischen den Interessenten in den USA und uns herbeizuführen. Deswegen will ich ihn bis auf weiteres aus heiklen Projekten raushalten und auch dafür sorgen», er verstummte und suchte nach den passenden Worten, «dass uns das, was er eventuell über mich und uns alle weiß, nicht länger schaden kann.»
«Glaubst du, er selbst wäre zu so etwas fähig, oder glaubst du, dass ihm jemand diese Informationen abluchsen könnte, um sie gegen uns zu verwenden?»
«Ich weiß es nicht. Ich glaube nicht, dass er sich seiner eigenen Familie gegenüber so verhalten könnte. Aber ganz sicher bin ich mir nicht. Er wird von anderen Motiven angetrieben als du und ich.» Droths Miene wurde ernst. «Sobald sich eine Möglichkeit bietet, Martin, vernichte alle Spuren, falls du das nicht schon getan hast.»
«Betrachte das bitte als bereits erledigt.»
Droth nickte mit betrübter Miene. «Und ich nehme an, dass es sich nicht vermeiden lässt, über den Artikel vom vergangenen Freitag zu sprechen?»
Hellsten verzog das Gesicht.
Johan Droth fuhr fort: «Ich vermute, du hast ihn gelesen?»
«Habe ich.»
«Du und ich und alle anderen, die sie dort haben herumschnüffeln sehen, wissen ja, dass es um den Herrenbund geht. Aber zu diesem Schluss gelangen mühelos auch andere, weniger gut informierte Leute, denn es gibt nicht so viele Clubs, die da in Frage kommen, und auf welchen auch immer der Verdacht fällt, werden die anderen mit in die Geschichte hineingezogen, nicht wahr?»
«Stimmt.»
«Sie erwähnt in ihrem Artikel, dass es eine Verbindung zwischen dem Club und Prostituierten gibt, von denen einige verstorben sind, aber Beweise hat sie keine. Momentan ist sie auch nicht erreichbar, um Fragen zu beantworten, um es einmal so auszudrücken. Besteht also für uns ein Grund zur Besorgnis? Ist an diesem Artikel überhaupt etwas dran?»
Hellsten zuckte mit den Achseln. «Ich denke nicht. Meiner Meinung nach muss es sich um einen Psychopathen handeln, falls das, was sie in ihrem Artikel behauptet, wahr ist. Dass jemand aus unserem Kreis Prostituierte missbraucht und ermordet, kann ich einfach nicht glauben.»
«Und jetzt ist sie weg. Vermisst?»
«Offenbar.»
«Das ist die offizielle Version, aber ist sie auch glaubwürdig?»
«Es scheint noch keine Spur zu geben. Der Ehemann hat sie laut meiner Quelle heute Morgen als vermisst gemeldet. Ich werde informiert, sobald sich etwas von Interesse ereignet.»
Johan
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