Korsar meiner Träume
nur für ein paar gestohlene Momente. Bedauerte er das, was sie bereits tief in ihrem Herzen aufbewahrte, um sich daran festzuhalten, wenn der Schatz gefunden war und sie wieder auf sich allein gestellt wäre?
Es schien so zu sein, denn als er wieder seinen Teller nahm, warf er sein Essen ins Feuer, anstatt es zu essen.
»Ich glaube, ich war nicht hungrig.«
Es war eine der längsten Nächte in Claires Leben. Sie sah zu, wie das Feuer herunterbrannte, sah zu, wie die rotglühenden Kohlen wieder schwarz wurden. Der Wald wurde ruhig, und man hörte nichts mehr außer dem gelegentlichen Rascheln eines Blattes. Sie hatte sich weder zu bewegen gewagt, noch hatte sie etwas gesagt, als sich Nate hinter ihr zu Bett legte. Doch sie erkannte an seiner Atmung, dass er ebenso hellwach war wie sie. Aber nach einiger Zeit war sein Atem ausgeglichener geworden, und sein Körper hatte sich im Schlaf entspannt.
Als der Himmel langsam hell wurde und Nate leise schnarchte, war Claire aufgestanden. Sie fühlte sich schmutzig und war es leid, dreckige Kleider zu tragen. Claire schnappte sich ihre Tasche und machte sich auf den Weg zum Strand. Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass am Horizont keine Schiffe zu sehen waren, holte sie das Stück Seife aus ihrer Tasche und watete ins Meer. Sie schrubbte ihre Kleidungsstücke bis man keine sichtbaren Schmutzspuren mehr sah, dann breitete sie sie auf dem Strand zum Trocknen aus.
Die Sonne ging am Horizont auf, und sofort erwärmte sie die Luft. Da keine Schiffe in Sicht waren und sie wusste, dass sie Nate tief schlafend zurückgelassen hatte, zog sich Claire bis auf die Haut aus und wusch ihre getragenen Sachen ebenfalls. Als diese neben den anderen ausgebreitet waren, glitt sie zurück ins Wasser und nahm dort das erste Vollbad seit viel zu langer Zeit. Obwohl sie sich oft wusch, bot sich ihr nicht allzu häufig die Gelegenheit, vollkommen nackt zu baden und sich gründlich zu reinigen.
Vor sich hin summend legte sie sich auf den Rücken und ließ sich treiben. Wolken, die so dünn waren wie Spinnweben zogen ebenso träge über den Himmel, wie Claire es auf dem Meer tat. Möwen suchten von dort oben nach ihrem Frühstück. Da sie noch etwas Zeit hatte, verweilte Claire noch ein wenig und genoss das sanfte Rauschen des Wassers und das gelegentliche Kreischen einer Möwe. Als ihr der Gedanke kam, zögerte sie nicht. Sie begann zu schwimmen.
Sie hatte Nate oft genug zugesehen, um zu wissen, wie er es machte, und sie versuchte, seine Bewegungen nachzuahmen. Die Arme über den Kopf gebogen, schlug sie durchs Wasser. Sie konzentrierte sich darauf, heftiger zu paddeln und sich mehr mit den Armen vorzuarbeiten. Dennoch glaubte sie nicht, dass sie so gut schwamm wie er, aber nachdem sie eine Weile geübt hatte, nahm sie an, es würde schon besser klappen. Wenigstens würde Nate sie nicht mehr mit dem Ertrinken aufziehen können. Nicht, dass es ihr tatsächlich etwas ausgemacht hätte, denn es war eindeutig schöner, sich necken zu lassen, als wenn er böse auf sie war.
Zufrieden mit ihren Anstrengungen, wandte sich Claire dem Strand zu. Ihr Herz machte vor Panik einen Satz.
»Wie bin ich nur so weit hinausgeschwommen?«
Sie hätte besser aufpassen sollen. Das Ufer war weit entfernt, und die Kleidungsstücke, die sie auf dem Strand ausgebreitet hatte, sahen wie die einer Puppe aus.
Sich gut zuredend, sie müsse nur das tun, was sie bis eben auch getan hatte, begann sie Richtung Ufer zu schwimmen. Nur dass sie es jetzt nicht mehr aus Spaß oder zur Übung tat, und sie es auch nicht mehr genoss. Alle Versuche, so zu schwimmen wie Nate, waren vergeblich, als der Wind plötzlich auffrischte und ihre Anstrengungen zunichte machte. Sie schien überhaupt nicht vorwärtszukommen – der Strand war ebenso weit entfernt wie vor fünf Minuten.
Ihre Atmung wurde immer schwerfälliger, und Claires Muskeln begannen zu brennen. Sie kämpfte gegen die Panik an und versuchte alles zu tun, um ans Ufer zu gelangen, obwohl sie trotz ihrer lähmenden Angst wusste, dass sie schlechter schwamm als zuvor.
Die See spritzte ihr bei jedem Armzug ins Gesicht. Salzwasser stieg ihr in die Nase und brannte ihr im Hals. Es wurde immer schwerer, die Arme aus dem Wasser zu heben. Sie drehte sich auf den Rücken. Obwohl ihr die Beine wehtaten, trat sie immer weiter. Sie wollte heute noch nicht sterben, verdammt.
Da gab es noch so vieles, was sie erreichen wollte. Sie wollte ein Heim, eine Familie. Sie konnte doch
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