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Korsar meiner Träume

Korsar meiner Träume

Titel: Korsar meiner Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Beattie
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nicht sterben, nicht solange ihr nichts gehörte und niemand sie liebte.
    »Oh, Gott, lass mich nicht so sterben«, betete sie und paddelte noch härter.
    Der Wind ließ ein wenig nach, und das war genau die Aufmunterung, die Claire brauchte. Sie drehte sich erneut auf den Bauch und sagte sich in ihrem Kopf entschlossen wieder und wieder vor, was sie tun musste. Auf und herüber, auf und herüber. Atme. Hör nicht auf zu treten. Du kannst das. Die Worte wurden ein Lied, und in ihrem Kopf wiederholte sie dies in einem strengen Rhythmus immer wieder. Als der Wind wieder auffrischte, knurrte Claire.
    »Du wirst nicht gewinnen, verdammt noch mal. Ich werde dich nicht gewinnen lassen.«
    Dennoch wusste sie, da war nicht mehr viel Energie übrig. Ihre Schwimmbewegungen wurden langsamer, und ihre Kraft schwand alarmierend schnell dahin. Aus diesem Grund wagte sie es auch nicht, sich auszuruhen, denn sie hatte Angst, wenn sie es täte, würde sie nicht mehr weitermachen können.
    Sie wollte sich auf nichts anderes konzentrieren, als zu schwimmen, und hatte deshalb absichtlich nicht zum Ufer hinübergeschaut. Es war schon beim ersten Mal entmutigend genug gewesen, zu sehen, welch geringe Fortschritte sie gemacht hatte. Wenn sie nun wieder sehen würde, dass sie nichts erreicht hatte, dann würde es noch viel schwerer werden, nicht aufzugeben. Aber sie würde es lieber versuchen und dabei sterben, als einfach aufzugeben.
    Claire gab sich die größte Mühe. Das tat sie wirklich. Aber am Ende versagten ihr ganz einfach die Arme. Ihre Lungen fühlten sich an, als ob sie Messer einatmen würde. Tränen strömten ihr über die Wangen und vermischten sich mit dem salzigen Meer. Ihr Herz war voller Qual. Sie hatte sich noch nie so allein gefühlt. Würde sie im Leben nach dem Tod den Frieden finden, den sie in diesem Leben nicht gefunden hatte?
    Claire hob den Kopf, musste das Ufer sehen, musste es noch ein letztes Mal sehen.
    Es war näher gekommen. Sie war sich sicher, es war näher gekommen. Sie blinzelte ihre Tränen weg. Ja, ihre Kleider sahen nicht mehr so klein aus wie zuvor.
    Da sie wusste, dass ihre Arme völlig verausgabt waren, drehte sich Claire auf den Rücken und begann noch einmal Richtung Ufer zu strampeln.
    Die Wellen waren nicht mehr so stark, und Claire wusste, sie machte Fortschritte. Sie konzentrierte sich auf eine bauschige Wolke am Himmel und hörte nicht auf, die Beine zu bewegen. Als sie selbst das nicht mehr konnte, ließ sie die Beine sinken und hoffte, sie wäre schon nahe genug herangekommen, um den Meeresboden zu berühren.
    »Oh Gott«, weinte sie, als sie nichts unter ihren Füßen spüren konnte, »oh Gott, nein!«
    Claire zwang ihren Körper, biss sich auf die Lippe, bis der salzige Geschmack des Blutes sich mit dem des Meeres vermischte. Sie schlug um sich, aber ihre Arme kamen kaum aus dem Wasser. Ihre Beine fühlten sich schwer an und bewegten sich kaum noch. Schon bald dümpelte sie auf dem Wasser, ihr Mund reichte kaum über die Wellen. Ihr Kopf glitt unter Wasser. Sie krümmte den Hals, bemühte sich an die Oberfläche zu gelangen und konnte einen schnellen Atemzug nehmen, bevor das Wasser wieder über ihr zusammenschlug.
    Ihre Lungen brannten. Ihre Muskeln waren nichts weiter als schlaffe Ausläufer ihres Körpers. Claire hatte in ihrem kurzen Leben schon viele Dinge überlebt – den Verlust ihrer Eltern, Hunger, Krankheit, Piraten und ein Leben, das zu leben keine Frau gezwungen sein sollte. Sie hatte in jenen Zeiten tief in ihrem Innersten nach der Kraft gegraben, sich voranzutreiben, zu überleben, auch wenn die Umstände gegen sie waren.
    Jetzt grub sie ebenfalls in diesem Teil ihres Selbst. Es war nicht mehr viel übrig, aber sie musste hoffen, es wäre genug. Mit allerletzter Kraft schob sie ihren Kopf aus dem Wasser. Sie spuckte das Meerwasser aus dem Mund und nahm einen letzten Atemzug. Bevor sie, wie sie wusste, zum letzten Mal unterging, stieß sie ihren Atem zum lautesten Schrei aus, den sie noch zustande brachte.
    Sie konnte nur noch hoffen, es würde genügen.
     
    Nate war von Natur aus ein geduldiger Mann. Aber nicht heute, dachte er, und schlug noch eine Kletterpflanze beiseite. Claire war fort gewesen, als er aufgewacht war. Er hatte gedacht, sie wäre gegangen, um sich zu erleichtern, aber als sie nicht zurückkam, hatte er begonnen, sich Sorgen zu machen. Schon bald wurde aus Sorge Zorn.
    Sie suchten gemeinsam nach diesem verdammten Schatz und hatten eine Abmachung,

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