Korsar meiner Träume
verdammt, eine Abmachung, an die er törichterweise geglaubt hatte. Claire hatte offensichtlich ebenso wenig die Absicht, diese zu respektieren, wie das Versprechen einzuhalten, auf ihn zu warten, welches sie ihm vor Jahren gegeben hatte. Das allein schon hätte jeden anderen Gedanken aus seinem Kopf verdrängen sollen.
Stattdessen war er närrisch genug, sich Sorgen zu machen. Sie konnte sich verletzen oder verirren, und da er nicht wusste, in welche Richtung sie gegangen war, würde er ihr nicht helfen können. Falls sie sich weh tat und ihre Verletzungen ernst waren, dann würde er vielleicht nicht rechtzeitig zu ihr gelangen.
Er schleuderte einen Zweig aus seinem Weg und stürmte wie ein Geschoss durch den Dschungel. Als Nate aus dem Wald auf den Strand trat, stand er ganz schön unter Dampf. Das verschwand auch nicht, als er sie schwimmen sah. Aber todsicher tat es das, als ihm klar wurde, wie weit sie draußen war.
Und dass sie in Schwierigkeiten war.
Gerade als er zum Wasser rannte, sah er, wie ihr Kopf unterging. Sein Herz setzte einen Moment lang aus, bis sie wieder an die Oberfläche kam. Doch dann spürte er blanke, beißende Angst, als sie strampelnd auftauchte und schrie.
Er hörte die Panik in ihrer Stimme und nahm sich kaum die Zeit, seine Stiefel wegzuwerfen, bevor er ins Meer rannte. Als das Wasser tief genug war, tauchte er. Er trat heftig mit den Beinen und zog sich mit langen Armzügen voran, bis er wieder nach Luft schnappen musste.
Als er das tat, war Claire nirgendwo mehr zu sehen.
12
Angst, eine geballte Faust voller Angst packte Nates Herz und weigerte sich, es wieder loszulassen. Er schwamm schneller, heftiger, als er in seiner Erinnerung jemals geschwommen war. Er hielt nur lange genug inne, um die Wasseroberfläche abzusuchen. Nichts! Er konnte sie nicht entdecken!
»Claire!«, brüllte Nate. Seine Arme und Beine kreisten und hielten ihn über Wasser. Das Einzige, was ihm Antwort gab, war das Blut, das wütend durch seine Adern pumpte.
Er tauchte wieder unter, schwamm dorthin, wo er sie zuletzt gesehen hatte. Genauer gesagt dort, wo er glaubte, dass sie untergegangen war. Er konnte sich nicht völlig sicher sein, nicht ohne irgendeinen Orientierungspunkt.
Nate war im Laufe der Jahre in vielen Schlachten gewesen. Sie waren von Piraten überfallen worden und hatten selbst ihren angemessen Anteil an Handelsschiffen und ähnlichem Gesindel angegriffen. Er war jeder Schlacht mit einem Gefühl von Ruhe und sogar Abenteuerlust begegnet. Er wusste, wie man trotz widriger Umstände, trotz all der Risiken, nicht den Kopf verlor. Selbst als er auf Blakes Schiff von einem Stück Mast verwundet wurde, das ihm im Bein steckte, war es Nate noch gelungen, die schwenkbare Schiffskanone zu bedienen. Nichts hatte ihn je erschüttert.
Bis jetzt.
Was, wenn er nicht rechtzeitig zu ihr kam? Was, wenn die Wellen sie zu weit von ihm wegtrugen? Was, wenn er sich vor lauter Sorge geirrt hatte und nicht in die richtige Richtung schwamm? Was, wenn ihr kalter, lebloser Körper an die Oberfläche trieb, bevor er sie retten konnte?
Oh Gott, denk nicht daran , sagte er sich. Er würde nicht zu spät kommen. Er würde es einfach nicht. Als er den Punkt erreichte und annahm, er müsse jetzt ganz nahe sein, holte Nate tief Luft und tauchte unter. Während seine Augen verzweifelt den Meeresboden absuchten, erinnerte sich sein Verstand an jeden Augenblick, den sie miteinander verbracht hatten, im Waisenhaus, auf seinem Schiff und auf der Insel.
Claire war damals schon das Beste in seinem Leben gewesen, und sie war das Einzige, was er sich nun wünschte. Verheiratet oder nicht, er musste ganz einfach wissen, dass sie in Sicherheit war. Dass sie wenigsten noch am Leben war.
Er suchte, bis seine Lungen beinahe platzten, dann tauchte er gerade lange genug auf, um einen weiteren tiefen Atemzug zu machen, bevor er wieder abtauchte. Er würde das so lange machen, schwor er sich, bis er sie gefunden hatte. Claire war schön und stark, und es würde ihn umbringen, wenn ihr Leben jetzt endete.
Aber er konnte sie nicht sehen. Verdammt, Claire , brüllte er lautlos, wo bist du?
Dort! Oh mein Gott, dort! Obwohl seine Lungen beinahe platzten, schwamm er auf sie zu. Sie trieb im Wasser, mit dem Kopf nach unten. Er packte sie, drehte sie um. Ihre Augen waren geschlossen, so als ob sie träumen würde. Nate stöhnte auf, als er sah, wie blass sie war. Wie leblos. Er zog sie fest an sich heran und schoss zur
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