Korsar und Kavalier
Ein attraktiver, reicher Earl. Jede Herzogin, ob in London oder anderswo, würde sich überall gern mit Ihnen sehen lassen.“ Die Worte waren nicht dazu angetan, Prudence wieder aufzurichten, denn sie erkannte plötzlich, dass sie der Wahrheit entsprachen. Ob nun mit oder ohne Manieren, das war egal - das blendende Aussehen des Earls, seine durchdringenden grünen Augen und sein verführerischer Charme würden genügen, dass der weibliche Teil der Bevölkerung ihm wortwörtlich in den Schoß fiel.
An Prudences reichem Mienenspiel erkannte Tristan, dass ihr tausend verschiedene Gedanken durch den Kopf gingen, auch wenn er sie nicht gut genug kannte, um die verschiedenen Gesichtsausdrücke einzuordnen. „Wenn Sie mich so hoch einordnen, heißt das vermutlich, dass Sie unter mir liegen.“ Er grinste. „Das gefällt mir.“
Sie lächelte nicht.
Tristans Lächeln erlosch. „Prudence, ich habe doch nicht gemeint ...“
„Oh, ich habe nicht an Sie gedacht. Es ist nur ... es gefällt mir nicht, wie die Gesellschaft Menschen nach ihrem angeblichen Wert einteilt - das Ganze richtet sich doch nur nach den Launen von ein paar wenigen.“
„Warum sind Sie der Gesellschaft gegenüber so verbittert? Ich habe das jetzt schon mehrmals an Ihrem Blick erkennen können.“
Etwas von der Anspannung schien sie zu verlassen, obwohl ihre Hände immer noch zu Fäusten geballt waren. „Sie wollen meine Geschichte bestimmt nicht hören.“
„Lassen Sie es doch darauf ankommen.“
Sie sah ihm in die Augen, fragend, ratlos. Was sie dort sah, beschwichtigte sie anscheinend, denn sie sagte: „Also schön, ich erzähle Ihnen, warum ich der Gesellschaft nicht vertraue. “ Sie senkte den Blick auf ihre im Schoß verschränkten Hände. „Mein Mann war ein sehr guter Investor. Er hatte ein Vermögen verdient und uns gut etabliert. Phillip hatte einfach ein Talent dafür, Geld zu verdienen. Er erregte Aufmerksamkeit deswegen und auch wegen seiner Großzügigkeit. Ich kann mich nicht entsinnen, dass er sich einmal geweigert hätte, jemandem zu helfen.“
„Das kann eine Gabe sein, aber auch ein Fluch.“
„Das musste ich auch erfahren. Er begann, auch für andere die Geldgeschäfte zu führen. Irgendwann war er bei verschiedenen Mitgliedern des ton sehr gefragt. Er hat für ein paar sehr wichtige Leute Tausende von Pfund gemacht.“ „Anscheinend war er wirklich sehr begabt.“
„Ja. Phillip war ein sehr einnehmender und attraktiver Mann; er mochte seine Mitmenschen und dachte von allen nur das Beste. Die Leute fühlten sich zu ihm hingezogen. Bald wurden wir überall eingeladen. “
„Das war bestimmt aufregend.“
Sie warf ihm ein schmerzerfülltes Lächeln zu. „Sie haben ja keine Ahnung. Ich war wie von Sinnen. Ich, Prudence Crumpton Thistlewaite, nahm plötzlich mein Dinner mit zwei Herzoginnen, einem Earl und seiner Countess, einem Viscount und zwei Patronessen von Almack’s ein. Sie waren so nett zu mir.“ Ihre Lippen zitterten, und sie presste sie zusammen. „Dachte ich zumindest.“
„Was ist passiert?“
„Eine von Phillips größten Investitionen erwies sich als Fehlschlag. Und dann noch eine. Schließlich eine dritte. Er hatte schön öfter Misserfolge, aber nie in dieser Größenordnung und nie drei hintereinander. Innerhalb von drei Monaten verlor er das gesamte Geld, das ihm anvertraut war. Er dachte, es würde sich schon alles wieder richten, wenn er nur die Investoren dazu bringen könnte, noch ein wenig abzuwarten, aber sie wollten nicht. Stattdessen verlangten sie ihr Geld sofort zurück. Phillip tat, was er konnte, gab dabei einen Großteil unseres Vermögens weg und versuchte verzweifelt, die Investoren dazu zu bringen, ihm noch ein Weilchen zu vertrauen.“ Sie hielt inne und schloss die Augen, wie um ein schreckliches Bild abzuwehren. „Aber sie wollten nicht.“
„Geduld gehört wohl nicht zu den Stärken des ton. “
Sie rang sich ein Lächeln ab. „Nein, wohl nicht. Bei all den Fehlschlägen und den Geldforderungen der Leute, denen Phillip ursprünglich hatte helfen wollen, haben wir unser gesamtes Vermögen verloren. Und wie die Morning Post behauptete, auch das Vermögen etlicher einflussreicher Männer. Den anderen reichte es nicht, dass Phillip ruiniert war, sie wollten Rache. Immer wenn sie darüber redeten, klang es so, als hätte Phillip sie irgendwie betrogen. In den Zeitungen wurden diese Beschuldigungen aufgegriffen, und irgendwann sahen die Gerüchte wie Tatsachen
Weitere Kostenlose Bücher