Korsar und Kavalier
„Zehn Minuten wären besser. “
„Vier Minuten.“
Ihr Blick wurde schmal. „Sieben.“
„Fünf Minuten, und das ist mein letztes Angebot.“ „Abgemacht! Was werden Sie bei der Ankunft der Treuhänder als Erstes tun?“
Er lehnte sich zurück. „Stevens wird sie einlassen. Reeves unterweist Stevens derzeit, damit er weiß, was er sagen und tun soll. Zwei meiner Leute - MacGrady und Toggle - spielen die Lakaien. Reeves unterrichtet auch sie. Sie werden die Mäntel und Hüte unserer Gäste entgegennehmen und im vorderen Salon verstauen. Im Anschluss wird Stevens die Treuhänder hier hereinführen, in die Bibliothek. Dort werde ich sie dann mit meinem Mangel an Esprit und meiner steifen Art zu blenden wissen.“
„Und wie wollen Sie das anstellen?“
„Ich werde sie begrüßen, ihnen je nach Vorgabe die Hände schütteln oder mich vor ihnen verbeugen und ihnen danach Plätze zuweisen. Ob ich ihnen einen Brandy anbieten kann, hängt davon ab, wann sie kommen.“ Er warf ihr einen düsteren Blick zu. „Diese Regel gefällt mir ganz und gar nicht.“ „Sie können vor Mittag keinen Brandy anbieten.“ „Vermutlich haben einige von ihnen, wenn nicht alle, schon weitaus härtere Sachen als Brandy getrunken, und das lange vor Mittag. Ich persönlich glaube, dass wir alle einen schönen großen Brandy gebrauchen könnten, vielleicht sogar zwei. Wahrscheinlich freuen sie sich auf das Treffen genauso wie ich, wenn nicht noch weniger. “
„Da könnten Sie recht haben. Trotzdem, Sie möchten doch, dass die Treuhänder Sie für einen Gentleman halten, und man kann nie wissen, ob nicht einer von ihnen prüde ist.“ „Möglich“, erwiderte er, wenig überzeugt.
„Sie machen schöne Fortschritte“, sagte sie mit strahlendem Lächeln.
Das Problem war, er wollte keine „schönen Fortschritte“ machen. Er wollte Fortschritte bei ihr machen, aber nicht gesittet, sondern zügellos, sinnlich und dekadent. Ja, er sehnte sich geradezu nach Fortschritten, die ihn unter ihre Röcke und zwischen ihre Schenkel führten.
Sie nahm einen Schluck Tee. Es sah verdammt attraktiv aus, wie ihre Lippen den Rand der Tasse berührten. „Also gut, Mylord. Was tun Sie, wenn die Treuhänder alle sitzen?“ „Betäubende, sinnlose, fade Konversation treiben. Irgendwann werde ich sie auch auf das Testament ansprechen, aber vorher muss ich mich bei ihnen als vollendeter Gentleman von Welt beweisen.“
„Hervorragend! Sie werden sich ausgezeichnet schlagen!“ „O ja. Die Woche war ein großer Erfolg. Ich kann mich jetzt verbeugen wie die schlimmsten Speichellecker, kann den frivolsten Gecken zuhören, als hätten sie tatsächlich etwas Wichtiges mitzuteilen, und eine halbe Stunde reden, ohne auch nur das Geringste zu sagen.“
Sie lachte, ein Glucksen der Heiterkeit, das ihm ein Lächeln entlockte. „Tut mir leid, dass Ihnen all diese Fähigkeiten so nutzlos Vorkommen.“
„Sie sind nutzlos.“
„Nicht in den Augen der Treuhänder.“ Sie senkte die Wimpern. „Mylord ...“
„Tristan.“
„Das geht doch nicht ...“
„Ich bin hier der Earl, nicht Sie. Ich möchte, dass Sie Tristan zu mir sagen! Bitte“, fügte er sanft hinzu. „Wir haben so viel Zeit miteinander verbracht, dass ich dachte, Sie würden mich als Freund betrachten, nicht nur als Nachbarn.“
Sie hob den Blick. „Das haben Sie aber hübsch gesagt! Mylord, darf ich Sie etwas fragen? Es ist etwas, was Sie mir ... also, vielleicht möchten Sie nicht darauf antworten.“ „Fragen Sie nur, was Sie möchten. Aber seien Sie gewarnt: Ich drehe den Spieß dann um!“
Ihre Augen funkelten. „Ich habe nichts zu verbergen.“ „Ich auch nicht. Was möchten Sie also wissen?“
„Damals ... als Sie Matrose wurden. Als Sie an Bord gezwungen wurden, waren Sie doch noch so jung. War das sehr schwer für Sie? Anscheinend haben Sie das Meer dann ja lieben gelernt.“
„Ja, ich liebe die See. Aber das erste Jahr war sehr schwer. Ich hatte Heimweh und war zornig und wollte nichts lernen, ehe man mir mit der neunschwänzigen Katze kam.“
Sie sah auf seine Schultern.
„Ja. Ich habe Narben. Viele Narben. Ich war als Kind ebenso störrisch wie heute, wenn Sie sich das vorstellen können.“ „Aber Sie sagten, Sie waren erst zehn! Die können doch unmöglich einen Zehnjährigen ausgepeitscht haben!“
„Sie konnten es, und sie taten es auch. Das Leben auf See ist hart.“
„Das ist einfach barbarisch!“
„Da stimme ich Ihnen zu. Aus dem Grund habe ich
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