Korsar und Kavalier
wieder zu. Sie hatte ihm derart persönliche Fragen gestellt, dass sie eigentlich erwartet hatte, er würde sie ähnlich ausfragen. Aber ... „Meine Lieblingsfarbe? Rot.“
„Das dachte ich mir“, erwiderte er mit einem Anflug von Selbstzufriedenheit.
Sie spitzte die Lippen. Irgendwie fühlte sie sich von ihm enttäuscht. „Ist das alles?“
„Darf ich noch etwas fragen?“
Sie nickte.
„Also dann ...“ Seine Stimme wurde tiefer, kräftiger. Seine Worte umflossen sie langsam und daunenweich, wie eine Liebkosung. „Warum sind Sie ausgerechnet nach Devon gezogen?“
Unwillkürlich blickte sie zum Fenster und auf die See, die unter ihnen ans Ufer donnerte.
„Ah“, sagte er warm und anerkennend.
„Ich habe das Meer schon als Kind geliebt. Irgendwie zieht es mich an.“ Sie krauste die Nase. „Aber auf ein Schiff kann ich nicht, ich werde schrecklich seekrank.“
„Dann waren Sie nur nicht auf dem richtigen Schiff.“
„Ich habe es dreimal versucht, auf drei verschiedenen Schiffen, und mir ist jedes Mal übel geworden.“
„Sie waren aber noch nie auf der Victory. “
„Der Victory? Nelsons Flaggschiff?“
„Meinem Schiff.“ Stolz schwang in seiner Stimme mit. Sie lächelte. „Dann eben Ihrem Schiff. War es das Schiff, auf dem ...“ Sie schaute auf sein Bein.
Sein Blick folgte dem ihren, und ein Schatten huschte über sein Gesicht. „Ja.“ Abrupt legte er die Serviette auf den Tisch und stand auf. „Kommen Sie, werfen Sie mal einen Blick auf mein Schiff.“
„Ihr Schiff ist hier?“
„Gewissermaßen ja.“ Er ergriff Prudences Hand, zog sie auf die Füße und führte sie zur gegenüberliegenden Wand. Dort hing ein großes Gemälde, auf dem ein mächtiges Schiff zu sehen war, das durch die Wellen pflügte.
Sie erinnerte sich, dass sie das Bild schon einmal betrachtet hatte, damals, bei ihrem ersten Besuch in seinem Haus. „Das also ist die Victory. “
Er nickte. Noch immer hielt er ihre Hand. „Nelson hat mir das Bild geschenkt, als er mir das Kommando übergab. “
Prudence versuchte das Gemälde zu bewundern, doch konnte sie sich nicht recht darauf konzentrieren, weil Tristans Hand die ihre immer noch warm umschloss. Sehr männliche Hände hat er, dachte sie beifällig. Kräftig, ziemlich schwielig und so groß, dass die ihre völlig darin verschwand. Aus irgendeinem Grund überlief sie bei dem Anblick ein Zittern, ein leises Beben der Erregung.
Wie albern. Sie schob die lächerlichen Gedanken beiseite, gerade als er ihr das Gesicht zuwandte. Er war ihr so nah ... so überaus nah. Wenn sie den Kopf in den Nacken legte und ihm die Lippen darbot, wäre er in Reichweite. Sie wollte ihn küssen. Wenn sie ehrlich war, wollte sie noch viel mehr von ihm.
Prudence schloss die Augen und trat einen Schritt zurück, weg von der Versuchung. Doch dabei stieß sie mit der Ferse gegen Tristans Stock und geriet kurzzeitig ins Wanken. Sofort streckte er den Arm aus und fing sie auf. Im nächsten Augenblick wurde sie gegen seine breite Brust gedrückt, ihre Brüste drängten sich an seinen Rock, und sie hob das Gesicht zu ihm.
Er blickte auf sie herunter, auf ihren Mund. Seine Lippen waren leicht geöffnet. Sein Teint war leicht gebräunt, auf Wangen und Kinn zeigte sich ein Anflug von Bartstoppeln, die unbedingt berührt werden wollten. Sie spürte seinen Arm um ihre Taille, die Kraft, die darin steckte. Und um seine Lippen mit den ihren zu berühren, hätte sie nur aufzusehen brauchen ...
Behutsam ließ er sie herunter, ließ sie ganz langsam an sich herab zu Boden gleiten. Prudence klopfte das Herz bis zum Hals. Ihr ganzer Körper brannte vor unausgesprochenem Begehren. Mein Gott, sie wollte ihn. Sie begehrte ihn so sehr, dass sie den Kuss schon beinah schmecken, sein kratziges Kinn auf ihrer bloßen Haut schon beinah spüren konnte.
Obwohl er sie wieder auf dem Boden abgestellt hatte, machte er keine Miene, sie freizugeben. Prudence wusste, dass sie sich ihm entziehen sollte, doch die Umarmung fühlte sich so tröstlich an, so gut, so richtig, dass sie einfach nur dastand und den Moment genoss. Einen Moment, der ohnehin schnell vorüber wäre.
„Vermutlich sollte ich Sie jetzt loslassen“, murmelte er mit leiser, heiserer Stimme.
Sie schloss die Augen, sog die Empfindungen in sich ein, die Gerüche. Den frischen Seegeruch seines Rocks, den Duft des frisch gestärkten Hemdes. „Das ... das sollten Sie wohl tun.“
„Ein Gentleman würde Sie freigeben.“
Sie leckte sich die
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