Korvals Nemesis (German Edition)
vom Fenster ab. »Pat Rins Pflegevater und leibliche Mutter haben die Pflicht, die Kinder des Clans zu beschützen. Ich glaube nicht, dass sie ihm den Zugang zu ihrem Versteck verweigern würden.« Er hob eine Hand und strich sich das Haar aus dem Gesicht. »Jelaza Kazone wird ihn einlassen. Anthora wird möglicherweise merken, dass etwas nicht stimmt – aber es kann sein, dass sie es nicht schnell genug begreift, um zu verhindern, dass er sie tötet.«
»Okay.« Miri erhob sich, zeigte ihm die Handflächen in der Geste des Friedens. »Das ist alles hypothetisch. Wir wissen nicht einmal, wo Pat Rin ist. Er könnte sich irgendwo gemütlich auf einer Außenwelt versteckt halten und auf das Zeichen warten, dass alles in Ordnung ist.«
»Stimmt. Das erklärt uns allerdings nicht, warum die Sektorrichterin verschwunden ist.«
»Vielleicht hat sie einen neuen Freund. Vielleicht brauchte sie Urlaub. Vielleicht war sie besoffen, ist hingefallen und hat sich ihr Genick gebrochen. Wir wissen nicht, ob sie sich tatsächlich wegen des Gemetzels im Lagerhaus versteckt. Wir wissen ja nicht einmal, ob sie sich überhaupt versteckt.«
»Und wir wissen auch nicht, ob es nicht doch so ist.«
Stille.
»Noch so eine Hypothese«, sagte Val Con langsam, hasste es – und bei den Göttern, wenn es wahr sein sollte …
»Los!«
»Die Abteilung hat sich sowohl Korvals Kind Pat Rin wie auch die Sektorrichterin Natesa geschnappt.«
Sie blinzelte ihn an. »Sie ist echtes Agentenmaterial.«
»Das ist sie in der Tat. Darüber hinaus hat sie Zugang zu den höchsten Ebenen der Juntavas. Der Commander könnte so ein Werkzeug gut gebrauchen.«
»Da bin ich mir sicher.« Sie schüttelte den Kopf. »Wir haben immer noch keine Beweise.«
»Wir haben keine Beweise«, wiederholte er, sah sie dabei nicht an, sondern mehr durch sie hindurch. »Wir schulden dem Hohen Richter aber Informationen .«
Er kam mit Mühe wieder zu sich und bewegte sich zur Kommunikationseinheit. Miri seufzte und begann, ihnen frischen Wein einzuschenken.
Tag 52,
Standardjahr 1393,
Liad,
Hauptquartier der Abteilung für Innere Angelegenheiten
• • • • •
Der Commander der Agenten war niemand, der naturgegebenen Verlusten in einer militärischen Auseinandersetzung große Bedeutung beimaß. Es war immer klar, dass es bei der Umsetzung des Plans Verluste geben würde – möglicherweise sogar viele – und dass die Abteilung sich mit dem Widerstand von Kleingeistern und alten Interessen auseinandersetzen musste. Obgleich er diese nicht leichthin abtat, war der Commander durchaus in der Lage, die innere Stärke beizubehalten, die notwendig war, den Erfolg herbeizuführen, und zwar auch dann, wenn man einen Rückschlag erlitten hatte.
Der Verlust eines Schiffs und von vier vollen Agenten des Wandels auf dem Planeten Lytaxin – das war eine ganz andere Sache. Beinahe konnte man sogar sagen, dass der Commander … wütend war.
Das Schiff hatte berichtet, Val Con yos’Phelium an Bord zu haben, kurz nachdem das Überwachungsimplantat des vierten Agenten offline gegangen war. Das Schiff selbst war wenige Minuten nach dem Abheben explodiert. Der Commander der Agenten war nicht so naiv zu glauben, dass Val Con yos’Phelium mit dem Fahrzeug gestorben war.
Also: vier verlorene Agenten auf Lytaxin. Ein Agent verloren auf der Verbotenen Welt I-2796-893-44, sein Schiff erbeutet und vernichtet. Drei weitere Agenten durch diese verdammte Hexe verloren …
Gesamtverluste: acht Agenten und zwei Schiffe. Und welchen Profit hatte die Abteilung im Gegenzug zu dieser großen und weit gestreuten Ausgabe erhalten?
Sand und Asche. Val Con yos’Phelium blieb in Freiheit; Anthora yos’Galan schlief sicher hinter den mächtigen Wänden von Jelaza Kazone.
Der Commander der Agenten erhob sich hinter seinem Schreibtisch. Er wanderte durch sein Büro, von einem Ende zum anderen. Zu Beginn seiner vierten Durchquerung hielt er inne und erinnerte sich bewusst an die beruhigende Übung, die er als Agent in der Ausbildung vor vielen Jahren erlernt hatte. Langsam beruhigte er seinen Herzschlag, normalisierte seine Atmung, ließ das unnötige Adrenalin absinken. Als er damit fertig war, stand er einige Augenblicke nur da, die Augen geschlossen, meditierend.
Schließlich öffnete er seine Lider und kehrte an seinen Tisch zurück, ordnete die Unterlagen, die er in seiner Aufregung runtergeworfen hatte, und legte sie zur Seite, ehe er den Bildschirm
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