Kosakensklavin
Lage Haltung bewahrt hätte.
Kurz danach vernahm sie ein seltsam schleichendes Geräusch, und sie spürte, dass etwas an ihr vorüberstrich. Für einen Augenblick erblickte sie im Mondlicht einen grauen Rücken, der sich auf und nieder bewegte, um gleich darauf im Gebüsch zu verschwinden. Eisiger Schreck durchzuckte sie. Ein Wolf. Die Herde war nicht etwa ihretwegen geflüchtet - die Rehe hatten die Wölfe gewittert und versuchten sich durch Flucht zu retten.
Gerade in diesem Augenblick schob sich eine Wolke vor den Mond, und der Wald versank wieder in Dunkelheit. Ein Knurren erklang hinter ihr, leise und drohend wie ein Hund, der sich zum Angriff duckt. Sie erstarrte. Es knackte im Gezweig, schleifende Geräusche waren zu vernehmen, so, als bewegten sich hinter ihr große Tiere durchs Gebüsch. Plötzlich schoss etwas an ihr vorüber, so dicht, dass es ihr Knie streifte, sie spürte Fell und roch einen scharfen Wildgeruch.
„Hilfe!“, schrie sie. „Wölfe! Zu Hilfe!“
In wilder Panik stürzte sie voran, ganz gleich wohin, nur fort. Ein niedriger Ast streifte ihr die Kappe vom Kopf, ihr langes Haar verfing sich im Gezweig, doch sie achtete kaum darauf und wühlte sich weiter durchs Unterholz. Rötlicher Schein ließ Monster im Gebüsch erwachsen, sie schrie wie am Spieß, fasste einen der Stämme und versuchte verzweifelt den untersten Ast zu erklimmen. Zweimal rutschte sie ab, fiel dumpf auf den Waldboden, dann fand ihr nackter Fuß Halt in der schrundigen Baumrinde, und es gelang ihr, den überhängenden Ast zu fassen. Mit beiden Armen klammerte sie sich daran fest, hörte ihn gefährlich knacken und zog die Füße in panischer Angst hoch, denn der Wolf könnte hochspringen und sie beißen.
Rotes Licht flackerte um sie her, etwas packte ihre Beine und zog daran. Sie schrie und zappelte, klammerte sich mit letzter Verzweiflung an ihren Ast und versetzte dem Angreifer einen festen Tritt mit dem nackten Fuß.
„Verdammt noch mal! Jetzt habe ich aber genug!“, brüllte eine wohlbekannte, zornige Stimme.
Vor Überraschung und Erleichterung ließ sie los und plumpste vor Andrej auf den Boden wie eine reife Frucht. Er ließ ihr Zeit sich aufzusetzen, blieb ruhig vor ihr stehen, die brennende Fackel in der Hand, und funkelte sie aus schwarzen Augen wütend an. Sie zitterte, als sie zu ihm aufsah. Jegliche Erleichterung war verschwunden, sie spürte nur noch schreckliche Angst, denn sie erinnerte sich an das, was er ihr gesagt hatte.
Wenn du versuchst zu fliehen, werde ich dich töten.
„Ich ... ich wollte ...“, stammelte sie und wusste nicht weiter, wagte auch nicht, sich zu erheben.
Breitbeinig stand er vor ihr. Riesengroß wie ein Dämon, die Bluse vorn zerrissen, so dass seine dunkel behaarte Brust hindurchschimmerte. Der Schein seiner Fackel spielte in seinem Gesicht, und es schien ihr, als sprühten seine schwarzen Augen rötliche Funken auf sie herab.
„Ich habe es satt, ständig hinter dir herzulaufen, feine Dame“, herrschte er sie an. „Was glaubst du, wer du bist?“
Ihre Lippen bebten. Sie wollte erwidern, dass sie die Tochter einer angesehenen Adelsfamilie war, und dass er ihr Respekt zu zollen hatte. Sie brachte jedoch vor Angst kein einziges Wort über die Lippen.
Er schien auch nicht auf eine Antwort gewartet zu haben.
„Jetzt ist Schluss, edles Fräulein“, knurrte er und steckte die Fackel in den Waldboden, um die Hände frei zu haben. „Weißt du, was ein Kosak mit einer ungehorsamen Frau macht?“
Die Frage ließ sie bis ins Innerste erzittern. Baranows Drohung schoss ihr durch den Sinn. Ja, gewiss. Dieser schreckliche Kosak würde sie nackt ausziehen und mit Rutenschlägen bis zum Lager treiben, damit seine Kameraden sie begaffen konnten. Das war die Strafe für eine Gefangene, die zu fliehen versucht hatte. Nein - dieses Vergnügen würde sie ihm nicht gönnen.
Blitzschnell fuhr sie zurück, als er sie packen wollte, riss das Messer aus dem Gürtel und setzte es an ihre Brust.
„Lieber sterbe ich!“
Verblüfft starrte er auf sein eigenes Messer, das im Fackelschein aufblitzte. Verdammt, er hatte sie unterschätzt. Was für eine lächerliche, leere Drohung! Wollte sie ihm Theater vorspielen, das aristokratische Fräulein?
Sonja spürte die Spitze der Messerklinge, die durch den Stoff ihrer Bluse drang und ihre Haut ritzte. Es musste rasch geschehen, sonst würde er sie daran hindern. Mit dem Mut der Verzweiflung warf sie sich mit dem Messer vor der Brust nach vorn,
Weitere Kostenlose Bücher