Kosakensklavin
reiten und seinen Frieden mit der Zarin zu machen. Mit der Zarin und mit seinem Vater.
Er drehte sich auf die Seite und sah zu Sonja hinüber. Sie hatte die Augen fest geschlossen, ihre Wangen waren gerötet, eine Haarlocke lugte unter der Kappe hervor. War das eine Träne, die im Mondlicht an ihrer Wimper glitzerte? Er begriff plötzlich, warum er nicht einschlafen konnte: das schlechte Gewissen plagte ihn. Was mochte sie gedacht haben, als er eben gerade sein Spiel mit
Pelageja trieb? Diese wohlerzogene Dame würde es ganz sicher abstoßend gefunden haben. In ihren Augen hatte er sich wie ein wilder Hengst aufgeführt, ein Stier, der sich brünstig über eine Kuh hermacht und in sie hineinstößt. Es gefiel ihm nicht, dass sie solches von ihm dachte, und er merkte plötzlich, dass es ihm wichtig war, von ihr geachtet zu werden.
Verflucht, dachte er und drehte sich ärgerlich wieder auf den Rücken. Was ist los mit mir? Sie ist nichts weiter als ein Weib, wenn auch bezaubernd und verführerisch. Ein adeliges Frauenzimmer, das sich einbildet, auf mich herabsehen zu dürfen. Ich werde ihr die Zicken schon austreiben - hat sie nicht gestern Nacht noch in meinen Armen wollüstig gestöhnt und konnte nicht genug bekommen? Nun, davon kann sie noch mehr haben, aber nicht auf ihre, sondern auf meine Weise. Soll sie Tränen vergießen, soll sich zieren und die vornehme Dame spielen - ich werde nicht nach ihrer Pfeife tanzen. Ich bin ihr Herr, und sie hat zu tun, was ich will.
Er drehte ihr den Rücken zu und fühlte erleichtert, wie sein Gewissen sich beruhigte, und der Schlaf sich langsam einstellen wollte. Während sich seine Gedanken schon verwirrten, und die Träume Macht über ihn bekamen, hörte er noch das langgezogene Heulen der Wölfe, die jetzt auf Jagd gingen.
Kapitel 12
Sonja schlief nicht. Mit Schaudern lauschte sie auf die unheimlichen Töne, die sie noch aus ihrer Kindheit kannte, und die sie immer wieder in Angst versetzt hatten. Im Sommer seien diese grauen Jäger Menschen nicht gefährlich, da fänden sie Beute genug in den Wäldern. Nur im Winter brachen sie häufig in die Ställe und Gehege ein, um Schafe zu reißen. Es gab Geschichten von jungen Bauern, die sich den hungrigen Bestien entgegengestellt hatten und dabei übel zugerichtet worden waren.
Sie hatte sich schlafend gestellt, um nicht von Andrej angeredet zu werden. Er sollte auf keinen Fall bemerken, wie groß ihre Verwirrung und Verzweiflung war. Als er sich neben ihr ausstreckte, wäre sie am liebsten aufgesprungen um davonzulaufen, so sehr fürchtete und hasste sie ihn. Zusammengekrümmt hatte sie davor gezittert, er könnte die Hand ausstrecken, um sie zu berühren. Hätte er das getan - sie wäre ganz sicher wie eine Furie über ihn hergefallen, hätte ihm mit ihren Fingernägeln das Gesicht zerkratzt und ihm das Haar ausgerissen. Vielleicht hätte sie ihn sogar angespuckt, diesen dreckigen Kosaken, diesen stinkenden Bock, der eben noch seine Lust an Pelageja gekühlt hatte.
Doch er hatte sich einfach hingelegt, sich ein paar Mal hin und her gewendet und lag nun ruhig. Sein Atem ging gleichmäßig. Auch das gefiel ihr nicht. Langsam und vorsichtig löste sie sich aus der unbequemen, zusammengekauerten Lage, streckte sich leise auf dem Rücken aus und sah hinauf zum Himmel. Schwarze Wolken strichen vor der hellen Mondsichel vorbei, verbargen sie hin und wieder ganz und ließen sie dann wieder leuchtend hervortreten.
Was war nur los mit ihr? Sie war in der Gewalt der Kosaken und wurde von ihnen verschleppt. Das war schlimm genug. Dennoch hätte sie trotz aller Schrecken und Ängste ihren kühlen Verstand bewahren müssen. Haltung in jeder Lebenslage - hatte das nicht ihre Mutter immer gepredigt? Aber die Lebensweisheiten ihrer Mutter hatten sich während der vergangenen Tage als ziemlich untauglich erwiesen, und sie begann darüber nachzudenken, ob ihre Mutter das Leben wirklich kannte.
Nein - sie spürte es ganz deutlich: nicht die Gefangenschaft, in die sie geraten war, war die Ursache ihrer Verwirrung. Es waren vielmehr jene erschreckenden und beschämenden Dinge, die sie gesehen hatte, und die ihre Gefühle vollkommen durcheinandergebracht hatten. Süße Pein befiel sie, wenn sie sich daran erinnerte, wie sehr sie den Körper dieses Mannes begehrt hatte, als sie hinter ihm auf dem Pferd saß. Vor allem aber war es dieser schreckliche und zugleich wundervoll erregende Traum, der sie in der letzten Nacht befallen hatte, und für
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