Kosakensklavin
geschlafen, und ich alte Frau habe schon gefürchtet, dich in diesem Leben nicht mehr zu sehen .“
Andrej lachte ein fröhliches Jungenlachen, das Sonja noch nie zuvor gehört hatte. Dann wandte er sich zu ihr um.
„Komm herauf, Grigorij“, befahl er, immer noch das Lachen in seinen Augen.
Zögernd stieg sie die Stufen hinauf. Ihr war nicht wohl unter dem durchdringenden Blick der alten Frau. Andrejs Großmutter war nicht mehr rasch auf den Beinen - ihre Augen schienen jedoch noch gut und ihr Verstand scharf zu sein.
„Das ist Grigorij - er wird dich von jetzt an bedienen, Babuschka“, erklärte Andrej in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. Die Alte nickte, maß Sonja noch einmal mit den Blicken und wandte sich dann zum Eingang des Hauses.
„Gehen wir hinein, Andrjuscha. Du wirst müde und hungrig sein. Und Neuigkeiten gibt es auch.“
Sonja folgte den beiden, blieb jedoch verblüfft an der Eingangstür stehen. Himmel - befand sie sich in einem Kosakendorf oder in einem orientalischen Palast? Dicke Teppiche waren auf dem Boden ausgebreitet, auf Wandregalen standen schlanke Kupferkannen und glänzende Becher, und der große Ofen war mit grünen Kacheln geschmückt. Es gab Heiligenbilder mit breiten goldenen Rahmen an den hölzernen Wänden, weißes Porzellangeschirr stand in den Wandnischen, daneben gar eine türkische Wasserpfeife aus dunkelblauem Glas, bemalt mit silbernen Ornamenten.
„Was stehst du da, Grigorij? Komm herbei und schließe die Tür!“
Es war die Alte, die ihr diesen Befehl gab, und Sonja zuckte bei dem scharfen Klang ihrer Stimme zusammen. Es war ganz offensichtlich, dass Andrejs Großmutter sie nicht leiden konnte.
Dennoch gehorchte sie, trat einige Schritte in den Raum hinein und zog die Tür hinter sich zu. Sie fühlte sich unbehaglich und fremd in diesem Haus, wie ein ungebetener Gast, der wenig Ansehen hatte, und den man als Eindringling betrachtete.
„Geh hinüber in die Küche, Grigorij“, befahl Andrej barsch. „Und hüte dich, das Haus zu verlassen.“
Verletzt begriff sie, dass sie viel weniger als ein Gast war. Sie war ein Diener, hatte in der Küche zu bleiben, zu arbeiten und zu gehorchen, während Andrej und seine Großmutter sich an den schön geschnitzten Tisch setzten, und die Alte Tee aus dem Samowar eingoss. Wie ungewohnt und demütigend das war. Sie, die am Hof der Zarin nur die feinsten Speisen gereicht bekam, die auf glänzenden Festen in schönen Roben brilliert hatte, der die reich gekleideten Höflinge zu Füßen gelegen hatten - sie hatte jetzt diese hässliche Alte zu bedienen, die sie immer wieder aus ihren dunklen, tiefliegenden Augen feindselig ansah.
In der Küche war niemand - nur ein grauer Kater hockte schlafend auf einer Bank und zuckte hin und wieder mit dem Schnurrbart, wenn sich eine vorwitzige Fliege darauf setzte. Die offene Feuerstelle war erloschen, ein silberfarbiger Kessel hing an einer Kette darüber, ein hölzerner Abfallzuber, von Fliegen umsummt, wartete in einer Ecke darauf, ausgeleert zu werden. Mutlos ließ sie sich auf einem Schemel nieder und stützte die Hand auf die grobe Tischplatte. Was würde nur aus ihr werden? Würde Andrej sein Vorhaben ausführen und sie gegen Geld freigeben? Dann war sie wieder Baranow ausgeliefert, und die Qual würde neu beginnen. Was aber sonst konnte Andrej mit ihr vorhaben?
Sie fuhr zusammen, als ein weiches Fell ihr Hosenbein streifte. Der Kater war von der Bank gesprungen und strich jetzt schnurrend um ihre Beine. Sonja streckte die Hand aus und kraulte den Grauen hinter den Ohren - wenigstens ein Wesen in diesem Haus empfing sie freundlich.
„Na, du Hübscher?“, flüsterte sie leise. „Magst ein wenig schmusen?“
Der Kater schloss vor Wonne die glänzenden grünen Augen und drängte sich gegen Sonjas Hand. Schließlich streckte er probeweise eine Pfote auf das Knie seiner Gönnerin und sprang dann kurz entschlossen auf Sonjas Schoß. Sonja schrie leise auf, denn er hatte beim Sprung für wenige Sekunden seine Krallen ausgefahren, doch sie verzieh ihm, als er sie zärtlich mit seiner kühlen, feuchten Nase an die Wange stupste und sie dabei mit seinem Schnurrbart an der Nase kitzelte.
„Ein schöner Kerl bist du“, wisperte sie und strich über seinen weichen, glänzenden Rücken. Er buckelte gewaltig, stellte den buschigen Schwanz steil in die Höhe und trat voll Wohlbehagen von einem Vorderfuß auf den anderen. Dabei rutschten seine Pfoten zwischen Sonjas Beine und sie
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