Kosmische Kreuzfahrt
welche Kämpfe, welche Tragödien sich hinter diesen Mauern abgespielt hatten. Sie glaubten, die Bewohner dieser Welt vor sich zu sehen, ihre verzweifelten Versuche mitzuerleben, sich gegenüber der immer stärker werdenden Kälte zu behaupten, die über ihre Welt hereingebrochen war. Daß sie den Kampf verloren hatten, war augenscheinlich – wer gab den Eindringlingen das Recht, die Ruhe dieses erloschenen Planeten zu stören?
Arcot brach als erster das Schweigen. „Was denkt ihr?“ fragte er über das kleine Funkgerät, mit dem alle Anzüge ausgestattet waren. „Sollen wir dem Planeten den Rücken kehren, sollen wir den Toten ihre Ruhe gönnen? Oder ist es unsere Pflicht, uns als Wissenschaftler für die Ursache der Katastrophe zu interessieren?“
„Bahnen wir uns einen Weg in das Innere dieses Gebäudes“, antwortete Morey. „Wesen, die intelligent genug waren, eine solche Stadt zu bauen, mögen damit gerechnet haben, daß ihr Planet eines Tages von anderen Wesen betreten wird, denen man eine Nachricht über das Geschehen zukommen lassen wollte. Wir sind verpflichtet, nach den Ursachen zu forschen, um vielleicht später ähnliche Katastrophen verhindern zu können.“
Sie sahen ein, daß Morey recht hatte, und gingen sogleich ans Werk. Die schweren bronzenen Türen schienen un-überwindbare Hindernisse, aber als sie Hitzestrahl- und Molekularpistolen auf sie richteten, schmolz das Metall in Sekunden zusammen und gab den Weg frei. Sie traten in eine lange, reichgeschmückte Halle, deren Wände mit farbigen Gemälden bedeckt waren. Die auf den Gemälden abgebildeten Gestalten schienen zu leben, so gekonnt waren ihre Bewegungen eingefangen. Sie trugen eine Kleidung aus weißem, weichfließendem Stoff, ihr Haar war blond und reichte bis auf die Schultern. Die Männer waren kleiner, aber kräftiger gebaut als die Erdbewohner, die Frauen annähernd gleich groß, aber feingliedriger. Die auf den Gemälden dargestellten Landschaften wirkten warm und sonnig, sie waren übersät mit saftig grünen Pflanzen und hochragenden Bäumen. Die Männer gingen weiter, passierten ein Dutzend kleinerer Räume, bis sie in einer mittelgroßen Halle standen, die wohl die letzte Zuflucht der Bewohner dieses Gebäudes gewesen war. Hunderte von stummen Gestalten bedeckten in langen Reihen den Boden, sie waren in dicke Decken gehüllt, die sie vor der immer stärker werdenden Kälte hatten schützen sollen. Erstaunlich war, daß ihre Züge den Ausdruck tiefen Friedens trugen; nichts war darin zu lesen von Furcht und Todeskampf, von Verfall oder Zersetzung. Die unheimliche Kälte hatte diese Gestalten konserviert, ein grausames Schicksal hatte sich gnädig erwiesen und die Gestalten aus tiefem Schlaf in die ewige Ruhe hinübergehen lassen.
Der Boden des Raumes war mit einer dünnen Schicht grünschillernder Kristalle bedeckt, die Wade nachdenklich betrachtete. Schließlich bückte er sich und ließ eines der erbsengroßen Stücke in seine Tasche gleiten.
Leise, als wollten sie die Ruhe der Toten nicht stören, zogen sich die Männer zurück. Morey, der als letzter hinausging, schloß die Tür hinter sich. Er schien enttäuscht, der Wissenschaftler hatte die Oberhand gewonnen über die menschlichen Gefühle, die ihn angesichts der Tragödie ergriffen hatten.
„Keine Spur von Aufzeichnungen“, murmelte er verwundert und schüttelte den Kopf. „Ich begreife es nicht. Alles deutet doch darauf hin, daß diese Wesen sich auf einer hohen Entwicklungsstufe befanden – ihre Bauten, die Gemälde, die Kleidung …“
„Ihre Chemie“, ergänzte Wade. „Auf diesem Gebiet scheinen sie uns sogar ein ganzes Stück voraus gewesen zu sein. Haben Sie die grünen Kristalle bemerkt? Als den Bewohnern der Stadt klar wurde, daß die Katastrophe unabwendbar war, müssen sie sich dieser Kristalle bedient haben, um dem langsamen Kältetod zu entgehen. Ich glaube annehmen zu können, daß dieser Substanz ein Gas entströmte, das einen schnellen, schmerzlosen Tod herbeiführte. Ich habe eine Probe mitgenommen und bin gespannt, ob es mir nach unserer Rückkehr gelingen wird, sie zu analysieren.“
Sie stiegen in das untere Stockwerk hinab, das aus einem einzigen Raum bestand, dessen Decke völlig freitragend konstruiert war. Fuller konnte sein Erstaunen nicht verbergen.
„Der Beweis, daß sie auch von Architektur etwas verstanden“, sagte er. „Wer von uns würde sich eine solch kühne Konstruktion zutrauen. Nicht ein einziger Stützpfeiler, und
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