Kosmologie für Fußgänger
totalen, sondern nur noch ringförmige Sonnenfinsternisse zu beobachten geben.
Auch heute noch stecken im steten Wechsel von Ebbe und Flut gewaltige Energien. Die Kräfte, die durch das Auf und Ab und das Hin und Her der riesigen Wassermassen freigesetzt werden, haben im Lauf der Jahrmillionen das Bild der Erdoberfläche entscheidend mit geprägt. Ebbe und Flut tragen wesentlich bei zur Formung der Küstenlinien, zur Verfrachtung enormer Mengen an Material, das dann an anderer Stelle wieder abgelagert wird, und zur Verwitterung der im Wirkungsbereich der Gezeiten gelegenen Gesteine. Die herrlichen Sandstrände mancher Urlaubsinseln sind nichts anderes als von der Gewalt des Wassers zerriebene Steinbrocken oder Muschelschalen. Und auch der Mensch bedient sich mittlerweile aus dieser scheinbar unerschöpflichen Energiequelle: Gezeitenkraftwerke liefern Strom für ganze Städte.
Vermutlich aber waren Ebbe und Flut sogar an der Entstehung des Lebens auf der Erde beteiligt. Wie der entscheidende Schritt von der unbelebten zur belebten Materie vor sich ging, wissen wir nicht. Sicher ist aber, dass bis zu diesem Zeitpunkt aus einfachen Molekülen infolge chemischer Reaktionen zunehmend komplexere organische Moleküle entstanden, die immer mehr Information trugen und sich schrittweise zu immer höherer Ordnung organisierten. Um diese Prozesse zu gewährleisten, waren zwei Voraussetzungen zu erfüllen. Zum einen musste die Konzentration der Ausgangsprodukte groß genug sein, damit Zusammenstöße zwischen den Reaktionspartnern entsprechend häufig ausfallen konnten, zum anderen bedurfte es einer Energiequelle, die diese chemischen Reaktionen überhaupt in Gang setzte. Nach Ansicht der Wissenschaft haben die Gezeiten in gewissem Umfang dazu beigetragen, diese Bedingungen zu erfüllen.
Bei Flut wird Land mit Meerwasser überschwemmt, das sich dann während der Ebbe wieder zurückzieht. In Senken und Kuhlen kann das Wasser aber nicht vollständig abfließen, sodass dort mehr oder minder große Teiche und Tümpel verbleiben: ideale »Brutstätten« für die komplexen organischen Moleküle. In diesen flachen Gewässern vermag das ultraviolette Licht der Sonne bis zu den im seichten Wasser gelösten Molekülen und Mineralien durchzudringen, sie zu spalten und so die Reaktionspartner für den chemischen Aufbau komplexerer organischer Moleküle bereitzustellen. Damit die Rate der chemischen Prozesse hoch ausfällt, muss auch die Konzentration der Ausgangsstoffe möglichst hoch sein. In der Zeit während der Ebbe verdunstet ein Teil des Wassers, sodass die Lösung eindickt und sich somit verdichtet. Die nachfolgende Flut schwemmt dann weitere Baustoffe in die Tümpel, welche die Konzentration während der Ebbe nochmals erhöhen. Auf diese Weise kann der stete Wechsel zwischen Ebbe und Flut über einen längeren Zeitraum die reaktionsfähigen Moleküle in dieser »Ursuppe« mehr und mehr anreichern.
Bei Flut wird natürlich auch wieder ein Teil des stehenden Wassers ins Meer zurückgespült, und mit ihm auch Moleküle, die bereits einen hohen Grad an Komplexität erreicht haben. Das ist für die weiteren Prozesse bis hin zur Entwicklung von Leben wichtig. Auf diese Weise werden die hochkomplexen Moleküle im tieferen Meerwasser dem Zugriff der zerstörerischen Ultraviolettstrahlung der Sonne entzogen. Wassertiefen von mehr als einem Meter absorbieren ultraviolettes Licht nahezu vollständig.
Neben der Sonne kann auch die Brandung, die stellenweise bei Flut entsteht, die für die chemischen Prozesse benötigte Energie liefern. Die Gewalt der Wassermassen vermag Moleküle aufzubrechen und in ihre Bestandteile zu zerlegen und somit die Entstehung neuer, komplexerer Verbindungen zu ermöglichen. Andererseits prallen in den Brandungszonen die Reaktionspartner vermehrt und heftig zusammen. Die Energie, die in einem solchen Zusammenstoß steckt, kann von den Molekülen als Bindungsenergie genutzt werden.
Werfen wir zum Schluss noch einen Blick auf unser Klima. Der Wechsel der Jahreszeiten entsteht durch die Neigung der Erdachse um 23,5 Grad gegen die Normale der Ekliptikebene. Nähme dieser Winkel andere Werte an, so würden sich insbesondere die Klimaverhältnisse in den nördlichen und südlichen Breiten stark verändern. Dass wir über relativ lange Zeiten von drastischen Klimavariationen verschont bleiben, verdanken wir nicht zuletzt unserem großen Mond. Mittels seiner großen Masse vermag dieser Himmelskörper die Erdachse im Raum
Weitere Kostenlose Bücher