Kosmologie für Fußgänger
die äußersten Grenzen des Sonnensystems fegen. Emission von Korpuskularstrahlung ist häufig auch mit dem Auftreten großer Flares verknüpft. Bei derartigen Auswürfen können bis zu zehn Milliarden Tonnen Plasma in den Raum hinausgeschleudert werden. Die Geschwindigkeit dieser Teilchen ist noch höher als normal und kann Werte von bis zu 2000 Kilometern in der Sekunde erreichen. Ein derartiger Teilchenstrom erreicht schon einen Tag nach seiner Emission die Erde und beeinflusst dort das irdische Magnetfeld und die Moleküle der Atmosphäre. Als Folge dieser Wechselwirkung kommt es zu magnetischen Stürmen, die den Funkverkehr auf der Erde und die Verbindung zu Satelliten nachhaltig beeinflussen oder ganz lahm legen können. In extremen Fällen induzieren diese Stürme starke elektrische Ströme in der Erde beziehungsweise in den Ozeanen, die mitunter ganze Anlagen zur Übertragung elektrischer Energie außer Funktion setzen. Aber wo Schatten ist, ist im wahrsten Sinne des Wortes auch Licht. Die schöne Seite dieser Ereignisse zeigt sich uns auf der Erde in Form der wunderbaren farbigen Lichtvorhänge, der Polarlichter. Die durch die hochenergetischen Teilchen angeregten Atmosphärenmoleküle geben ihre Energie wieder ab, indem sie in allen Farben des Regenbogens aufleuchten. Insbesondere in den hohen Breiten unserer Erde erstrecken sich solche Farbenspiele oft über den ganzen Himmel.
Wie geht es weiter?
Wir haben nun gesehen, welche atomaren Prozesse in der Sonne und welche komplizierten Vorgänge auf ihr stattfinden. Und wenn wir ehrlich sind, dann müssen wir zugeben, dass die Sonne dem Betrachter doch eine ganze Menge Spektakuläres und Erstaunliches zu bieten hat. Dennoch ist sie eigentlich ein ganz normaler Stern, ein typischer Vertreter der Mehrzahl der Sterne in unserem Universum. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt verbrennt sie ruhig und gleichmäßig ihren Wasserstoff, so wie sie es schon seit rund viereinhalb Milliarden Jahren tut. Zwar hat sie im Laufe dieser Zeit ihre Leuchtkraft um rund 30 Prozent gesteigert, aber ansonsten ist nichts Wesentliches passiert. Doch irgendwann kommt der Moment, an dem die schon erwähnten zehn Prozent ihres Wasserstoffvorrats im Kern der Sonne aufgebraucht sein werden und nichts mehr zum »Verbrennen« da ist – der Augenblick, in dem der nukleare Ofen zwangsläufig ausgehen muss. Nach Berechnungen der Astronomen ist dieser Zeitpunkt in etwa vier Milliarden Jahren erreicht. Was dann? Ist dann schlagartig Schluss? Wird dann das Licht einfach ausgeknipst? Wird es dann bitterkalt, und eine ewige Eiszeit bricht über die Erde herein?
Anhand der Erkenntnisse, die in der Astronomie durch die intensive Erforschung der Sterne und insbesondere der Sonne im Laufe der Zeit gewonnen wurden, können wir auf diese Fragen ziemlich präzise Antworten geben.
In den rund acht Milliarden Jahren des gleichmäßigen Wasserstoffbrennens weitet sich die Kernbrennzone geringfügig aus und erschließt dadurch zusätzlichen Wasserstoff für die Kernverschmelzung. Folglich erhöht sich die Temperatur, die Sonne dehnt sich etwas aus, und ihre Leuchtkraft nimmt leicht zu. War unsere Sonne zu Beginn ihres Lebens nur etwa 5500 Grad heiß und strahlte mit einer Leuchtkraft von etwa 70 Prozent der heutigen Kapazität, so wird sie am Ende ihres Lebens, verglichen mit heute, rund 70 Prozent größer sein und mit der doppelten Leuchtkraft strahlen. Für die Erde bleibt diese Entwicklung nicht ohne Folgen. In etwa zwei Milliarden Jahren wird es hier so warm sein, dass es keine Winter mehr gibt. Die Meere werden so viel Wasser verdunsten, dass sich der Wasserdampfanteil der Atmosphäre erhöht und deren »Durchsichtigkeit« für Infrarotstrahlung sinkt. Das wiederum verstärkt den Treibhauseffekt, und die Erde heizt sich auf. Schließlich wird es hier so heiß wie auf der Venus. Leben wird dann auf der Erde nicht mehr möglich sein.
Aber das wäre erst der Anfang eines wahrhaft atemberaubenden Szenarios. Wenn schließlich der Wasserstoffvorrat in der Kernbrennzone ganz aufgebraucht und zu Helium fusioniert ist, lässt auch der Strahlungsdruck nach, und die Gravitation gewinnt wieder mal die Oberhand. Der Kernbereich bricht jetzt zusammen, und erneut wird Gravitationsenergie freigesetzt. In einem engen Bereich um den Kern schnellt dadurch die Temperatur dermaßen in die Höhe, dass der dort vorhandene Wasserstoff zündet und nun in einer Kugelschale um den Kern zu fusionieren beginnt. Aufgrund dieses
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