Kostas Charistos 5 - Faule Kredite
wurde auch das um zwanzig Prozent gekürzt. Wir müssen uns also einschränken.«
Adriani wirft mir einen rügenden und zugleich besorgten Blick zu. Und ich mache mir heftige Vorwürfe, dass Katerina und Fanis - nach all den Hochzeitsfeierlichkeiten - den Gürtel nun enger schnallen müssen.
»Habt ihr deshalb keine Hochzeitsreise gemacht?«, fragt Adriani.
»Nein, die haben wir aufgeschoben, weil uns einer von Fanis’ Patienten für zwei Wochen auf die Insel Sifnos eingeladen hat«, erläutert Katerina.
»Charis Tsolakis, du kennst ihn«, meint Fanis.
»Ich? Woher denn? Aus meiner Zeit im Krankenhaus?«
»Nein, er ist der Typ im Rollstuhl, den du auf der Hochzeitsfeier kennengelernt hast. Er besitzt eine Hotelkette mit Ablegern auf allen griechischen Inseln, die nun ganz unter der Leitung seiner Schwester steht. Aus gesundheitlichen Gründen hat er sich aus dem Alltagsgeschäft zurückgezogen und fungiert nur noch als Berater der Führungsetage.«
Schweigen macht sich breit, denn das Thema Hochzeitsreise war nur ein Zwischenspiel. Uns und vor allem Katerina brennt etwas ganz anderes auf der Seele.
»In zwei Monaten ist mein Referendariat vorbei, und was mache ich dann?«, fragt sie mich. »Andere Aussichten als auf diesen Job im Justizministerium, für den ich mich beworben habe, sehe ich nicht. Die Idee, eine eigene Kanzlei zu eröffnen, kann ich momentan vergessen.«
»Mal sehen, was ich für dich tun kann«, sage ich ohne große Hoffnung.
»Bemüh dich nicht, in der jetzigen Lage wird niemand neu eingestellt.«
»Schon ich habe damals nach meiner Facharztanerkennung drei Jahre warten müssen, bis ich eine Stelle gefunden habe. Und das waren noch bessere Zeiten«, erzählt Fanis und wendet sich an Katerina: »Nimm’s nicht so schwer, wir kommen auch mit wenig aus. Der Weg ist sowieso vorgezeichnet: mit Vollgas zurück in die Steinzeit der griechischen Selbstversorgerwirtschaft.«
»Möglicherweise tut uns das sogar gut, Fanis«, meint Adriani. Und dann lässt sie einen ihrer unzähligen Denksprüche vom Stapel: »Der Phönix wird aus der Asche neu erstehen.«
»Mit Vollgas zurück zur Selbstversorgerwirtschaft - gut und schön! Aber nicht zurück zur Symbolik der Junta, liebe Adriani«, lacht Fanis.
»Unter der Junta haben wir auch in der Steinzeit gelebt«, ist Adrianis durchaus zutreffende Antwort.
Ein paar Stunden später besteigen wir wortlos unseren Wagen, denn unsere Gedanken weilen noch bei Katerina und Fanis. Der Seat verfügt über ein Navigationssystem, das es kostenlos dazugab. Mir wäre etwas anderes lieber gewesen, da ich die Straßen Athens in- und auswendig kenne. Nur selten muss ich auf ein Navigationsgerät zurückgreifen, doch als gelernter Grieche stelle ich es trotzdem vor jeder Fahrt ein, damit sich das Werbegeschenk auch auszahlt. Das tue ich auch jetzt, schon um die ratlose Stille zu überbrücken.
»Wenn sie sich gleich nach ihrem Diplom um eine Anstellung gekümmert hätte, müsste sie jetzt nicht so zittern.« Damit bricht Adriani das Schweigen, den Blick auf die Straße geheftet. »Aber sie wollte ja den Doktor machen.«
»Findest du es schlimm, dass die jungen Leute heutzutage so hoch wie möglich hinauswollen?«, frage ich sie, nur augenscheinlich ruhig. Denn ich weiß, dass die spitze Bemerkung zum Teil auf mich abzielt.
»Nach zweihundert Metern rechts abbiegen«, sagt die einschmeichelnde Frauenstimme des Navigationsgeräts. Ich strafe sie mit Nichtachtung und fahre geradeaus weiter.
»Gerade die aktuelle Situation beweist«, erwidert mir Adriani, »dass es besser gewesen wäre, nicht weiterzustudieren, sondern sich in den fetten Jahren um eine Anstellung zu bemühen. Auch wenn diese Jahre bloß auf Kosten Dritter so fett waren. Durch das Doktoratsstudium hat sich alles verzögert, und jetzt weiß sie nicht, wie weiter.«
»Neue Routenberechnung: Nach fünfzig Metern links abbiegen.« Wieder nehme ich den Ratschlag nicht zur Kenntnis und fahre geradeaus weiter.
»Alle jungen Leute streben nach höheren Abschlüssen, weil Diplome und Doktortitel heute unerlässlich sind.«
»Ja klar, die sichern dir die Zulagen, die jetzt per Kahlschlag gekürzt werden«, sagt sie mit schneidender Ironie. »Sind Sie Doktor? Glückwunsch! Und Sie wollen dafür eine Zulage? Nix da!« Sie merkt, dass sie mich mundtot gemacht hat, und fährt fort: »Finde dich endlich damit ab: Wer in Griechenland ein normales Leben führen will, begnügt sich mit der Grundausbildung und findet
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